Donnerstag, 31. August 2017

In Deutschland wächst die Lust nach Direkter Demokratie

Erfolgreiche Volks­be­geh­ren in Bayern
In Deutschland wächst die Lust auf direkte Demokratie
„NZZ“ vom 31.08.2017, 12:00 Uhr; von Marc Felix Serrao, Berlin

Viele in Deutschland lehnen direktdemokratische Mittel für das Land ab. Doch in den Bundesländern und Kommunen wird immer öfter damit experimentiert.
Die Antwort auf die Frage, wer in Deutschland die Macht hat, ist zweieinhalb Meter hoch und vier Meter breit. Um sie zu transportieren, braucht es mehrere kräftige Hände und einen Lieferwagen. «Laut unserem Grundgesetz geht alle Macht vom Volke aus», sagt der Theologe Ralf-Uwe Beck. «Wir erinnern die Leute daran, dass das keine Phrase ist.» Becks Antwort auf die Machtfrage ist ein Spiegel.

Der Spiegel der Macht
Am 24. September dürfen 61,5 Millionen Deutsche ihre politischen Repräsentanten für den Bundestag wählen. Der 55-jährige Beck aus dem thüringischen Eisenach und seine durch die Republik verstreuten Mitstreiter vom Verein «Mehr Demokratie» wollen den Souverän daran erinnern, dass Wahlen zwar ein wichtiger Ausdruck seiner Macht sind, aber nicht der einzige bleiben müssen. Abstimmungen über konkrete politische Fragen – kurz: direkte Demokratie – gibt es in Deutschland bis jetzt nur auf den Ebenen der Kommunen und der Bundesländer.
Im Bund, wo es ums grosse Ganze geht, ist Deutschland eine rein repräsentative Demokratie.
Die zwei theoretischen Ausnahmen sind Abstimmungen über eine neue Verfassung und eine Neugliederung des Bundesgebiets.
[Grund​​sätzlich dürfen die Deutschen nicht über Finanzvorhaben und Steuern abstimmen].
Der Theologe Beck will, dass die Bürger auch im Bund mitentscheiden dürfen, und das nicht nur indirekt und alle vier Jahre. In knapp einem Drittel der 299 deutschen Wahlkreise werden er und seine Vereinsfreunde in den Wochen vor der Wahl deshalb ihre Spiegel an zentralen Plätzen aufstellen. Die Bürger sollen hineinschauen und sich ihrer Macht bewusst werden.

Tradition der Untertanen
In der angrenzenden Schweiz würde so eine Aktion verpuffen. Die Leute würden kurz in den Spiegel schauen, sich vielleicht die Haare richten und weitergehen. Hier muss niemandem erklärt werden, wer der Souverän ist. In Deutschland schon. Das erste, naheliegende Argument ist historisch: Die Menschen hier haben kaum Praxis als Demokraten, dafür viel Erfahrung als Untertanen. Aus den Revolutionsversuchen freiheitlich gesinnter Studenten und Staatsmänner des 19. Jahrhunderts wurde nichts. Auf den Ersten Weltkrieg folgte die Weimarer Republik, ein auf dem Papier edler und auf der Strasse verhasster Kompromiss, der in der Gewaltherrschaft der Nazis endete. Und das, sagen manche Gegner der direkten Demokratie in Deutschland, ist noch nicht wirklich lange her.
Das zweite Argument ist inhaltlicher Natur. Ihm gemäss sind politische Entscheidungen meist zu kompliziert, um sie dem einfachen Volk vorzulegen. Ein feines Beispiel für diese Haltung lieferte der Politologe Wolfgang Merkel nach der Bundestagswahl vor vier Jahren, als Union und SPD in den Koalitionsverhandlung​​en schon einmal darüber stritten, ob es bundesweite Volksentscheide geben soll oder nicht. «Diejenigen, die zu Volksentscheiden gehen, sind ohnehin schon relativ politisch», erklärte Merkel der «Zeit». Die anderen Bürger erreiche man nicht. «Die Fragen sind zu kompliziert oder stossen auf Desinteresse.» Übersetzt: Das Volk, von dem laut Grundgesetz alle Macht ausgeht, ist eigentlich zu doof zum Herrschen.
Das erste Argument lässt sich leicht entkräften. Es mag sein [es ist so], dass die Deutschen keine demokratische Tradition besitzen wie etwa die Schweizer oder die Engländer.
Aber zu behaupten, die Weimarer Republik sei an zu viel Bürgerbeteiligung zugrunde gegangen, ist falsch.
[Aber genau das behauptet die deutsche Politiker-Kaste durchs Band weg]
Ja, es gab plebiszitäre Elemente in der damaligen Verfassung, und diese wurden vor allem von reaktionären und kommunistischen Kräften eifrig genutzt. Aber keiner der Versuche war erfolgreich. Für einen Volksentscheid mussten zehn Prozent der Wahlberechtigten dem Reichstag ein Volksbegehren vorlegen. War das Parlament dagegen, dann folgte der Volksentscheid. Für ein Begehren, das im Widerspruch zur Verfassung stand, musste nicht nur mehr als die Hälfte der Abstimmenden, sondern der Wahlbevölkerung mit Ja stimmen.
Zwei Volksbegehren schafften es, die nötige Unterstützung einzusammeln. 1926 forderten Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam die entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürstenhäuser. Drei Jahre später verlangten rechte Parteien, die im «Young-Plan» festgelegten deutschen Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu stoppen. Beide Male kamen die Volksentscheide nicht auf die erforderliche Mehrheit. Die Weimarer Republik ist nicht an zu viel demokratischer Beteiligung zugrunde gegangen. Wenn, dann gab es zu wenige Demokraten.

Zu kompliziert für das Volk?
Auch für den Theologen Ralf-Uwe Beck hat sich das historische Argument erledigt. «Wer das heute noch bringt, hat die Debatten der vergangenen Jahrzehnte verschlafen», sagt er. Und das zweite Argument, die angebliche Blödheit des Souveräns? Beck lacht. «Warum soll ein Abgeordneter einen komplizierten Sachverhalt besser verstehen als ein normaler Bürger?» Wer es nicht schaffe, Politik in verständliche Entscheidungen zu übersetzen, sei fehl am Platz. Das gelte auch für Volksbegehren. «Wenn ihr Anliegen niemand versteht, werden sie nie genügend Unterstützer finden.»
Vermutlich liegt es an Becks Biografie, dass er sich mit der repräsentativen und konsensorientierten Gemütlichkeit der Bundesrepublik nicht zufriedengeben will. Diese Haltung teilt er mit vielen Ostdeutschen, links wie rechts der politischen Mitte. Die Älteren unter ihnen haben meist feine Antennen für Politiker, die die Bürger pater- oder maternalistisch an die Hand nehmen wollen. Doch anders als etwa die selbsternannten Retter des Abendlandes von Pegida setzt Beck nicht auf Trillerpfeifen und Gebrüll gegen das «System» und die «Altparteien». Der Mann will nichts abschaffen. Er will die bestehende Ordnung stabilisieren.
Direkt​​e Demokratie sei kein Gegenpol zum Parlamentarismus, sagt er. «Beides ergänzt sich perfekt.»
[Laut der führenden deutschen Zeitung, der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat die Abstimmung über das heftig umstrittene Bahnprojekt "Stuttgart 21" eine klare Zustimmung ergeben. Nach der Volksabstimmung herrsche diesbezüglich Ruhe im Ländle - selbstverständlich bleiben viele skeptisch - das ist auch ihr gutes Recht.
Wie bei uns in der Schweiz, die nach dem "Ja" zur zweiten Tunnelröhre am Gotthard skeptisch sind zum Versprechen von Bundesrätin Doris Leuthard, dass nach der Revision jede der beiden Tunnelröhren nur einspurig befahren werde - EU hin oder her].

Widerstand in der CDU
Beck war in der DDR erst Traktorist und später Pfarrer. Seit der Wiedervereinigung ist der dreifache Vater, der bis heute in seinem Geburtsort Eisenach lebt, in der Umweltbewegung und in verschiedenen Funktionen für die evangelische Kirche aktiv. Nach der thüringischen Landtagswahl 2009 war er sogar als Ministerpräsident einer rot-roten Regierung im Gespräch. Der heutige Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei war den Sozialdemokraten damals noch nicht geheuer. Also wurde ein Kompromiss gesucht. Becks Name fiel, aber nur kurz. Dann entschied sich die SPD, wie es ihre Art ist, für die Sicherheit, in diesem Fall eine grosse Koalition unter Führung der CDU.
Beck findet die Vorstellung, fast Ministerpräsident geworden zu sein, heute noch so amüsant wie damals. Doch mit seinem Herzensthema ist es ihm ernster denn je. Das liegt am schleichenden Erfolg. Unter den deutschen Parteien gibt es heute nur noch eine echte Gegnerin der direkten Demokratie auf Bundesebene, und das ist die CDU. Alle anderen Parteien stehen im Prinzip auf Becks Seite, inzwischen sogar die CSU. Die bayrische Schwesterpartei der CDU habe sich zwar jahrzehntelang «massiv gesperrt», sagt der Theologe. Aber das ist Geschichte. Seit vergangenem Herbst wirbt die CSU sogar in ihrem Programm für mehr direkte Demokratie.

Bayerns​​ Volksbegehren
Bayern sei heute eine der lebendigsten direkten Demokratien im deutschen Föderalismus, schwärmt Beck. Das stimmt.
Zwar scheiterten in den vergangenen Jahren etliche Volksbegehren am nötigen Quorum für einen Volksentscheid; zehn Prozent der Stimmberechtigten müssen sich dort binnen einer Frist von 14 Tagen in Listen eintragen, die in bayrischen Amtsstuben ausliegen. Doch in den Fällen, in denen sich genügend Menschen auf den Weg machten, hatten die Initiatoren Erfolg.
2013 etwa setzten sich die Bürger im Freistaat mit dem von den Freien Wählern angestossenen Volksbegehren «Nein zu Studiengebühren in Bayern» durch. Es kam nicht einmal zum Volksentscheid. Die regierende CSU, die von allen deutschen Parteien bis heute den besten Riecher für Stimmungen in der Bevölkerung hat, schwenkte nach dem Volksbegehren um und übertölpelte damit ihren Fraktionspartner FDP. Bei der Abstimmung im Landtag gab es eine entsprechend satte Mehrheit für eine Änderung des Hochschulgesetzes. Zum Wintersemester 2013/2014 waren Studiengebühren in Bayern Geschichte.
Ein zweites Beispiel war der Volksentscheid zum Nichtraucherschutz vor acht Jahren. Das Volksbegehren war mit 13,9 Prozent der Stimmen eines der erfolgreichsten der Landesgeschichte. Der anschliessende Volksentscheid kam auf 61 Prozent Zustimmung, ebenfalls ein hoher Wert. Seither darf in bayrischen Cafés, Wirtshäusern und Bierzelten nicht mehr geraucht werden, und das ausnahmslos. Die Gegner machten damals zwar jede Menge Lärm. Rauchgegner wurden als intolerante Gesundheitsfanatiker beschimpft, das Ende der bayrischen Gastlichkeit wurde heraufbeschworen. Doch es kam anders. Weder verwandelten sich die Bayern in freudlose Abstinenzler, noch litt die Gastronomie unter nennenswerten Umsatzeinbussen. Dafür stinkt, wer heute im Freistaat in ein Wirtshaus geht, anschliessend nicht mehr wie ein Aschenbecher.
Der parteilose, aber politisch eher linksstehende Beck spricht beim Thema direkte Demokratie voller Begeisterung von der konservativen CSU. Selbst der frühere bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein rede heute über Volksentscheide, als wäre er ein Ehrenmitglied im Verein «Mehr Demokratie», sagt er. Beck hofft, dass sich die Haltung der CSU auf die CDU übertragen wird. Das heisst in diesem Fall: auf die Bundeskanzlerin.

Denn​​ ohne Angela Merkel geht auch in dieser Frage nichts.
[Frau Merkel ist in der DDR sozialisiert worden. Ihr geht jegliches Verständnis für die Direkte Demokratie ab. Sie regiert von oben nach unten].

Wenn die Kanzlerin Ende September die Wahl gewinnt, was nur noch ein politisches Wunder verhindern kann, dann entscheidet sie ganz massgeblich mit über das, was im Koalitionsvertrag steht. Heisst es dort, dass es bundesweite Volksentscheide in Deutschland geben soll, dann wird es sie geben. Andernfalls muss sich Beck wohl noch ein paar Jahre gedulden. Seine vier Meter breiten Spiegel, in denen er den Deutschen ihre politische Souveränität vorführen will, sollte er nach der Reise durch die Wahlkreise nicht gleich entsorgen.

So flexibel, wie sich die regierende CDU in den vergangenen Jahren gezeigt hat, wird es vermutlich nicht allzu lang dauern, bis sie ihre Haltung ändert.
[Verzell du daas em Fäärimaa!]


Neue Politik
Ich gebe dir meine Stimme
von Adrienne Fichter 17.5.2017, 05:30
In vielen westlichen Demokratien dominieren Populismus und Politabstinenz. Digitale Pioniere erproben darum neue Möglichkeiten der politischen Partizipation. Hat die Liquid Democracy Zukunft?

Nach dem Brexit
Mehr Demokratie, jetzt!
Kommentarvon Martin Beglinger 30.6.2016, 19:21
Für die meisten europäischen Spitzenpolitiker ist die direkte Demokratie eine Schreckvorstellung. Doch Europa braucht nach dem Brexit nicht weniger Referenden, sondern mehr.

NZZ-Quiz zur Bundestagswahl in Deutschland
Wie gut kennen Sie die Parteien in Deutschland?
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Am 24. September wird in Deutschland der neue Bundestag gewählt. Realistische Hoffnungen auf den Einzug ins Parlament dürfen sich neben CDU/CSU und SPD die Grünen, die FDP, die AfD und die Linke machen. In unserem Quiz können Sie Ihr Wissen zu diesen Parteien unter Beweis stellen.

Frauke Petry an Auns-Versammlung
«Deu​​tschland hat dringend mehr Schweiz nötig»
von Boas Ruh, Matten 23.4.2016, 19:30
Die AfD-Chefin hat vor den Auns-Mitgliedern die Schweiz für die direkte Demokratie gelobt. Frauke Petry rief zu einer europaweiten Allianz von EU-Kritikern auf.

Sonntag, 20. August 2017

Kennen Sie die Hornkuh-Initiative? Nein!? Bitte lesen Sie hier!


„Kuhflüsterer“ - Ein ausgezeichneter, sehr einfühlsamer Artikel
in der führenden deutschen Zeitung,
der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („F.A.Z.“)
Danke!

„Kuhflüsterer“
„F.A.Z.“ - Menschen und Wirtschaft, vom Freitag, den 18.08.2017; von Johannes Ritter, „F.A.Z.“-Korrespondent in der Schweiz
(ein einzigartig gutes Foto von Armin Capaul, das ich leider nicht mittels Link zugänglich machen kann – schade)

„Eigentlich tragen Kühe Hörner. Doch wo sind sie hin? Wegoperiert.
Ein Schweizer Bauer fühlt mit den Rindern: Im Alleingang hat er eine Volksinitiative für die Würde der Kuh lanciert und realisiert.
Armin Capaul streckt den Arm aus und zeigt auf die Lichtung oberhalb seines Bauernhauses. „Da oben am Waldrand stehen meine Kühe“, sagt er und zieht an der selbstgedrehten Zigarette, die zwischen seinen rissigen Fingern klebt. Von der Terrasse seines Hofs im Berner Juragebirge ist das Vieh mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Es ist warm und Mittagszeit. Jetzt haben die Kühe die sattgrüne Bilderbuchwiese verlassen, auf der sie am Morgen noch kiloweise saftiges Gras vertilgt hatten. Im kühlenden Schatten der Bäume verdauen sie ihr Mahl.
Die Wiederkäuer dabei zu stören kommt Capaul normalerweise nicht in den Sinn. Aber dem Besucher zuliebe schnürt der Bergbauer seine Schuhe, ergreift seinen Wanderstock und stiefelt den Hang hinauf. Der Boden ist weich und tief, am Vortag hatte es tüchtig geschüttet. Trotz der 66 Jahre, die Capaul auf dem Buckel hat, bringt ihn der Aufstieg auf fast eintausend Meter über dem Meer nicht außer Atem. Nach gut fünfzehn Minuten steht der Bauer vor Rahel, die ihn neugierig mustert. Er streckt der Braunviehkuh seinen rechten Handrücken vor die breite, feuchte Nase. Rahel schnuppert. Auch dem fremden Besucher begegnet sie ohne Scheu. Dieser darf sogar ihre prächtigen Hörner anfassen. Sie sind warm, bis in die Spitze durchblutet. [Die Hörner sind auch von Nerven durchzogen]. Auch die anderen neun Kühe, die versprengt unter den Bäumen stehen und mit ihren Schwänzen gegen das lästige Heer der Fliegen anpeitschen, tragen Hörner am Kopf. Und selbst wenn es sich nur um eine Projektion des Menschen handelt, die nichts mit dem Gefühlsleben der Tiere zu tun haben mag: Sie wirken stolz.
Die Schweiz hat kein offizielles Wappen- oder Nationaltier. Aber wenn die Eidgenossen eines wählen könnten, gehörte die Kuh (neben dem Bernhardiner) zum Kandidatenkreis. Sie gibt die Milch, die Schweizer Käse und Schokolade zum Exportschlager macht. In der Werbung und touristischen Vermarktung des Alpenlandes spielt das Rind eine prominente Rolle: auf Postkarten, Plakaten, Kaffeetassen und T-Shirts. Statt Teddybären gibt es Kuschelkühe. In den allermeisten Fällen handelt es sich um Abbilder von Kühen mit Hörnern auf dem Kopf. Rinder haben nun einmal Hörner. Oder etwa nicht? Wer im Sommer durch die Schweizer Berge wandert, bekommt einen anderen Eindruck. Auf den Almen und Weiden erblickt man vor allem Kühe ohne Hörner. Der Eindruck täuscht nicht, wie Armin Capaul mit Daten belegen kann: „Rund 90 Prozent der Schweizer Kühe haben keine Hörner.“ Wo sind sie geblieben? Sie werden schon den Kälbern weggebrannt. Für den Bergbauern ist das ein absolutes Unding. „Woher nimmt der Mensch das Recht, die Kühe zu verstümmeln?“
Capaul geht dagegen an. Im Alleingang hat er eine Volksinitiative lanciert, die horntragenden Rindern und Ziegen gleichsam zu einer Wiedergeburt verhelfen soll. Damit legt sich der „Hornkuh-Rebell“, wie er in den Schweizer Medien gern genannt wird, mit allen an: der Regierung, der mächtigen Bauernlobby, der Schweizer Tierschutzorganisation.
Trotz dieser Kratzbürstigkeit (oder gerade deshalb) hat er durchaus Chancen, dass seine Initiative „für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)“ von einer Mehrheit der Eidgenossen angenommen wird.
Nicht nur in der Schweiz, fast überall in der Welt werden Rinder enthornt, auch in Deutschland. Paradoxerweise ist dies eine Folge des Tierschutzes: ...

[nein: einmal mehr hat das Portemonnaie das sagen. Es gibt zu viele BWLer und Ökonomen – ein relativ wenig forderndes Studium, wie das der Soziologen und Psychologen ...]

Statt die Tiere fest anzubinden, werden sie heute meist in Laufställen gehalten. Um dort mehr Kühe unterzubekommen und so den Ertrag je Quadratmeter zu erhöhen, nimmt man ihnen die Hörner ab, damit sie sich in der drangvollen Enge nicht verletzen.

Doch die Enthornung ist schmerzhaft. Die Hörner sind von Blutgefäßen und Nerven durchzogen und über Hohlräume mit den Stirn- und Nasennebenhöhlen verbunden.

Daher müssen die Kälber in der Schweiz betäubt werden, wenn man ihnen spätestens drei Wochen nach der Geburt mit einem Brenneisen die erst im Ansatz erkennbaren Hörnchen verödet. Doch Capaul hat beobachtet, dass die Kälber auch nach dem Eingriff oft noch monatelang vor Schmerz blöken. „Das ist eine Operation an der Schädeldecke.“

Adrian Steiner, Leiter der Nutztierklinik an der Fakultät für Veterinärmedizin der Universität Bern, bestätigt, dass die Kälber im Nachgang zur Zerstörung der Hornanlage unter den Nachwehen dieser Prozedur leiden: „Wenn die Wirkung der Lokalanästhesie nachlässt, beginnen die Schmerzen.“ Diese könnten mehrere Tage andauern. In dieser Zeit könne man den Tieren zwar Schmerzmittel geben. „Aber das wird nicht häufig gemacht“, sagt der Professor. Leiden enthornte Kühe ähnlich wie Hühner, denen man den Schnabel stutzt, ihr Leben lang unter Phantomschmerzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich gerade ein Institutskollege Steiners im Rahmen eines Forschungsprojekts. Die Resultate werden mit Spannung erwartet.

Armin Capaul, der gemeinsam mit seiner Frau Claudia seit mehr als drei Jahrzehnten als Bauer arbeitet, geht es freilich nicht nur um das physische Leid der Rinder. Das gesamte Sozialverhalten der Tiere komme durcheinander, wenn sie keine Hörner trügen, glaubt er. Kühe mit Hörnern könnten einfacher ihren Rang innerhalb der Herde bestimmen; so gebe es weniger Gerangel und Kämpfe – sofern sie genug Platz hätten. „Wenn Rinder Stirn an Stirn ihre Kräfte messen, geben ihnen die Hörner zudem Halt. Ohne Hörner rutschen sie leicht ab und verletzen einander mit ihren Kopfstößen. Das kann zu Rippenbrüchen und inneren Verletzungen führen.“ Außerdem hätten Studien gezeigt, dass Hörner den Kühen auch dazu dienten, die Körpertemperatur zu regulieren. Es ist aber fraglich, ob dies im moderaten [???] Klima der Schweiz wichtig ist. Capaul ist aber sogar davon überzeugt, dass die Milch von Hornkühen besser schmeckt und gesünder ist als jene der hornlosen Artgenossen. Dies könnte, wenn es denn stimmt, freilich auch damit zu tun haben, dass die Lebens- und Futterbedingungen behornter Kühe generell besser sind, weil deren Halter auf allen Ebenen Bio-Standards einhalten.
Eine kleine Beobachtung ging Capauls Kampf um das Horn voraus. Ein Schlüsselmoment im Leben des Kuhflüsterers war ein Abend im Sommer 2011: Er saß nach getaner Arbeit im Stall und beobachtete, wie die Kuh Marianne ihrer Nachbarin Rahel den Kopf zudrehte und dieser mit der Spitze des Horns behutsam Schlafsand aus dem Augenwinkel fischte. Dieses tierische Feingefühl hat ihn in seinem Kampf für die körperliche Unversehrtheit der Kühe bestätigt – der lange erfolglos war.
Sein offener Brief an das Bundesamt für Landwirtschaft in Bern verhallte ungehört. Darin hatte er die Zahlung eines „Hörnerfrankens“ angeregt für all jene Bauern, die Rinder mit Hörnern halten – als Ausgleich dafür, dass sie wegen des größeren Platzbedarfs weniger Tiere im Stall halten können und folglich auf Einnahmen verzichten müssen. Auch Capauls Schreiben an den für Landwirtschaft zuständigen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann von der FDP brachten nichts. Schließlich ließ der Bauer sein Ansinnen in das Parlament einspeisen, das jedoch ebenfalls mauerte. Also blieb ihm nur noch eine Möglichkeit: die Volksinitiative.

Wer im Mutterland der direkten Demokratie ein Anliegen zur Abstimmung bringen will, muss in einer Frist von 18 Monaten mindestens 100 000 beglaubigte Unterschriften sammeln. Schweizer Parteien benutzen – und Kritiker sagen: missbrauchen – dieses Instrument nur allzu gerne, um ihre politischen Positionen öffentlichkeitswirksam zu propagieren und Regierung und Parlament in ihrem Sinne zum Handeln zu zwingen. Dafür greifen sie auf die Parteikasse und auf Spendengelder zurück. Für einzelne Bürger, die keinen großen Apparat hinter sich haben, ist es viel schwieriger, die Unterschriftenhürde zu überspringen. Es fehlt ihnen oft an Geld, Sammelkraft und Erfahrung.
„Am ersten Tag meiner Sammelaktion kam ich mit 15 Unterschriften nach Hause“, erinnert sich Capaul. „Meine Frau hat mich ausgelacht und gesagt: ‚Rechne doch mal: Du hast 18 Monate Zeit. Bevor du nicht 100 Unterschriften beisammen hast, brauchst du gar nicht nach Hause zu kommen.‘“ Der Bauer erkannte, dass er den Hebel vergrößern musste. Er kratzte sein Erspartes zusammen – rund 55 000 Franken – und heuerte Stimmensammler an. Später half ihm auch der umstrittene rechtsesoterische Verein „Alpenparlament“, mit dem es aber ansonsten keinerlei Zusammenarbeit gebe, wie Capaul versichert.
Entscheidend war wohl, dass sich der Hornkuh-Rebell auf natürliche Art als Kommunikationsgenie entpuppte. Es fängt mit dem Aussehen des gebürtigen Bündners an, das ungeheuer authentisch wirkt: Der graue Zauselbart, die bunte Kappe, der handgestrickte Wollpulli über dem karierten Hemd – Capaul erinnert an den Alm-Öhi aus den Heidi-Romanen. Bei den Auftritten im Schweizer Fernsehen, die auf seiner Internetseite (hornkuh.ch) zu finden sind, erobert er mit leichter Hand die Sympathien des Publikums. Das liegt nicht nur am Inhalt seiner Botschaft, sondern auch an seinem verbindlichen Ton. Capaul ist zurückhaltend, er argumentiert ohne Schaum vorm Mund. Er fordert keine radikale Kehrtwende in der Tierhaltung in Form eines Enthornungsverbots. Sein Vorschlag lautet, einen Teil der bestehenden Subventionen für die Landwirte zugunsten der Hornkuh-Halter umzuverteilen.

Genau deshalb stößt Capaul mit seiner Initiative bei der Bauernlobby auf Gegenwehr: „Die Landwirte mit hornlosen Kühen fürchten um ihre Pfründen. Da sie in der Mehrheit sind, hat sich der Bauernverband auf deren Seite geschlagen.“ Offen zugeben will der Verband das indes nicht. In einem Schlagabtausch in der SRF-Talkshow „Arena“ windet sich der sonst um keine Antwort verlegene Bauernpräsident Markus Ritter, als er im Beisein Capauls gefragt wird, ob er für die Hornkuh-Initiative stimmen werde. Die Argumentationsnot ist groß in einem Verband, der die im internationalen Vergleich rekordhohen Staatshilfen für die heimische Agrarwirtschaft unter anderem auch damit rechtfertigt, dass die Schweizer Bauern deutlich mehr für das Tierwohl sorgten als die Landwirte in anderen Ländern.

Auch der Schweizer Tierschutzverband STS tut sich schwer mit der Hornkuh-Initiative.

[nachfolgend eine nicht überzeugende „Begründung]

Diese sei nicht präzise genug formuliert, moniert der STS-Geschäftsführer Hans-Ulrich Huber: „Wenn künftig ein Bauer zusätzliche Subventionen bekommt, weil er seinen Kühen die Hörner lässt, die Tiere dafür aber die meiste Zeit im Stall festbindet, dann haben wir nichts gewonnen. Rinder sind Bewegungstiere, die täglich Auslauf brauchen.“ Zudem gebe es bislang keinen schlüssigen Beweis dafür, dass Tiere wirklich darunter litten, wenn sie ohne Hörner aufwüchsen – sei es, weil man diese entfernt hat, sei es, weil die Kühe schon genetisch hornlos gezüchtet wurden. Denn auch das kommt zunehmend vor.

Die Regierung, in der Schweiz Bundesrat genannt, hat sich klar gegen eine Annahme der Hornkuh-Initiative ausgesprochen. In einer elfseitigen Botschaft an das Parlament äußert der Bundesrat zunächst Verständnis für den Vorstoß: „Die Ansicht, dass das Enthornen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Würde der Tiere ist, wird vermutlich in breiten Kreisen der Bevölkerung geteilt.“ Kühe mit Hörnern gehörten bis heute zum Idealbild der Schweizer Milchwirtschaft. „Die Milchkuh ist eine Sympathieträgerin, die in der Werbung oftmals mit Hörnern dargestellt wird.“ Doch gerade deshalb sei es besser, statt auf Umverteilung auf die Kräfte des Marktes zu setzen: Bauern könnten für die Produkte horntragender Tiere höhere Preise erzielen und so die höheren Kosten für deren Haltung ausgleichen. Außerdem verweist die Regierung auf das erhöhte Verletzungsrisiko für Mensch und Tier, wenn mehr horntragende Kühe gehalten werden.
Armin Capaul kann über das Urteil der Regierung nur lachen: „Der Bundesrat hat einfach keine Ahnung von Kühen.“ Stolz erzählt er von den mehr als 154 000 Unterschriften, die er und seine Helfer eingesammelt haben – deutlich mehr als erforderlich. Dabei sei ihm anfangs sehr viel Skepsis entgegengeschlagen, sogar in seiner eigenen Familie: „Als ich mit der Idee für die Initiative kam, dachten die: „Jetzt spinnt er total.‘“ Trotzdem packten alle mit an: Die Tochter Lilian kümmerte sich um den Facebook-Auftritt, der Sohn Andri bastelte die Homepage, und die Gattin Claudia übernahm den Telefondienst. Die eigentliche Arbeit auf dem Hof schulterte der Sohn Donat.
Diesem hat Vater Capaul den Hof inzwischen übergeben und ist mit seiner Frau hinüber ins „Stöckli“ gezogen. So nennen Schweizer das Altenteil, jenes kleine Haus auf dem Gehöft, in das die Altbauern „zügeln“, wenn sie das Zepter an die Nachkommen weiterreichen. Unter dem Dach des Stöcklis hat Capaul sein Büro. Er kramt eine Bananenkiste hervor. Sie ist prall gefüllt mit Briefen: „Alles Fanpost.“ Wobei es etliche seiner Unterstützer nicht bei bloßen Worten beließen. Es sind so viele Spenden hereingekommen, dass Capaul seinen geplünderten Sparstrumpf inzwischen wieder auffüllen konnte. Aber für die bevorstehende Abstimmungskampagne braucht er natürlich wieder neues Geld. Capaul schätzt, dass es im kommenden Jahr zur Abstimmung kommt, sicher ist das aber nicht. Zunächst muss sich das Parlament über die Hornkuh-Initiative beugen. Erst danach haben die Bürger das Wort. Capaul ist überzeugt, dass seine Initiative bei der Bevölkerung eine Mehrheit findet. Nur wenn zuvor den Frauen das Stimmrecht entzogen würde, drohte eine Niederlage. Denn Frauen spürten intuitiver als Männer, dass das Horn einfach zur Kuh gehöre. Tatsächlich berührt der Bauer mit seiner Initiative das Herz der naturverbundenen Eidgenossen.

Dass die Menschen dabei nicht immer stimmig handeln, weiß Capaul ganz genau: „Dieselben, die heute für einen besseren Tierschutz plädieren, fahren morgen über die Grenze nach Deutschland und kaufen billiges Fleisch ein.“

[auch die sollen sich schämen:
In der „F.A.Z.“ hat Johannes Ritter über diesen Einkaufs-Tourismus jenseits der Schweizer-Grenze berichtet. Auf einem den Artikel begleitenden Foto waren Protzenwagen vor deutschen Geschäften abgelichtet. Wenn ich in Waldshut in die SBB umsteige und umgekehrt begegnen mir ganze Einkaufs-Horden.
Wir kaufen dagegen in der Schweiz ein, zum Beispiel das Fleisch, weil dies eindeutig besser, schmackhafter ist als das deutsche Rindfleisch (Kalbfleisch ist kaum zu erhalten) – das sagen unsere Gäste und auch die deutschen Metzger:
Grundsätzlich andere Viehhaltung In Deutschland:
In Deutschland gibt es weitgehendst nur Massentierhaltung VOR ALLEM IN NIEDERSACHSEN, die Tiere stehen stets in ihrem Pferch – keine Laufställe, keine Freilandhaltung, keine extensive Tierhaltung; einfach mies! Die Rinder und Kühe werden in der Massentierhaltung mit Getreide, Mais, statt mit Heu / Gras gefüttert; das deutsche Fleisch ist weniger lang abgehangen.
Wie immer: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Damit Rinder und Kühe weniger Methan (wie Kohlendioxid ein Treibhausgas) produzieren, sollen sie in Merkel-Deutschland anders ernährt werden, damit Deutschland doch noch einen Beitrag an die „Rettung des Klimas“ leisten kann!
Typisch: die einfachste Lösung erkennt Merkel-Deutschland nicht, oder will es nicht erkennen?
Die Deutschen können ruhig weniger Fleisch essen.]

Selbst wenn es am Ende nicht zu einem Abstimmungssieg reichen sollte: Schon dass die Initiative zustande gekommen ist und öffentlich über Kühe und ihre Hörner debattiert wird, wertet Capaul als großen Erfolg: „Ich wollte den Tieren eine Stimme geben. Das habe ich erreicht. Alles was jetzt noch kommt, ist nur die Zugabe.“


Initiative:
„Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere“

Ich unterstütze diese Initiative – und Sie?

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art.104 Abs. 3 Bst. b

3 Er [der Bund] richtet die Massnahmen so aus, dass die Landwirtschaft ihre mulifunktionalen Aufgaben erfüllt. Er hat insbesondere folgende Befugnisse und Aufgaben:
b. Er fördert mit wirtschaftlich lohnenden Anreizen Produkionsformen, die besonders naturnah, umwelt- und tierfreundlich sind; dabei sorgt er insbesondere dafür, dass Halterinnen und Halter von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Zuchtziegenböcken finanziell unterstützt werden, solange die ausgewachsenen Tiere Hörner tragen.
Klarstellungen

    Die Initiative verlangt kein Enthornungsverbot.
    Die Initiative verlangt eine Entschädigung für den/die HalterInnen für die wirtschaftliche Ertragseinbusse wegen den zusätzlichen Anforderungen der Tiere.

Die Initiative im Bundeshaus
23. März 2016154'066 Unterschriften wurden gesammelt. Davon wurden 120'859 bescheinigt eingereicht.
15. April 2016Die Initiative ist mit 119'626 gültigen Unterschriften offiziell zustande gekommen. --> news.admin.ch
22. Juni 2016Bundesrat empfiehlt Ablehnung der "Hornkuh-Initiative"  --> news.admin.chUnser Kommentar: Leider gibt es keine andere Möglichkeit, ein Volksanliegen, welches die Politik nicht anerkennt, über die Bundesverfassung umzusetzen.
26. September 2016Die ständerätliche Wirtschaftskommission will ein Päckchen schnüren.--> parlament.ch (pdf)Unser Kommentar: Die Initiative wird sicher nicht zurückgezogen. Die Pedition (Hörnerfranken) wurde seinerzeit von beiden Kammern abgelent.
15. Februar 2017Der Bundesrat veröffentlicht seine Botschaft  zur Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)» --> download (pdf) Unser Kommentar: Diese Botschaft wurde an der Basler Fasnacht zum Thema.
21. März 2017Ständerats-Kommission will Alternativen zu Hornkuh-Initiative prüfen. --> LIDUnser Kommentar: "Die Hornkuh-Initiative wird nicht zurückgezogen" --> LID (22. März 2017)
28. Juni 2017Die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK) lehnt die Hornkuh-Initiative ab, ohne das Anliegen in einer Gesetzesänderung aufzunehmen.--> LID
Warum braucht das Rind Hörner?
Von Tamara Fretz, Mitarbeit: Anet Spengler Neff und Markus Bär
  • Evolution. Der Auerochse hatte mächtige Hörner.
  • Anatomie. Der Hornzapfen ist ein durchbluteter und von Nerven durchzogener Knochen, komplett mit dem Schädel verwachsen und über Hohlräume mit den Stirn- und Nasennebenhöhlen verbunden. Das Horn ist warm, auf Berührung empfindlich und lebendig!
  • Kommunikation. Jede Stellung der Hörner gegenüber Artgenossen ist eine Botschaft. Mit dem Vorzeigen der Hörner verhindern Kühe direkte Auseinandersetzungen; die Rangordnung lässt sich so auf Distanz klären.
  • Sozialverhalten, Komfortverhalten. Kühe können sich selber und sie können sich gegenseitig mit dem Horn kratzen oder aneinander reiben, ohne sich zu verletzen. Das zeugt vom Bewusstsein und von der Kontrolle über das eigene Horn.
  • Stoffwechselorgan, Verdauung. Die bei der Vergärung des Futters im Pansen entstehenden Gase gelangen mit dem Rülpsen der Kuh in ihre Atmungsluft. Sie steigen via Nasen- und Stirnhöhlensystem bis ins Horn und passieren an den Schleimhäuten dieser Höhlen wahrscheinlich die Gas-Blut-Schranke.
  • Genetisch hornlos. Genetisch hornlose Rinderrassen gibt es seit einigen Jahrhunderten. Die Hornlosigkeit, welche dominant vererbt wird, ist vermutlich spontan aufgetreten und dann weitergezüchtet worden.
  • Unfallgefahr. Die Unfallstatistik widerspiegelt das Hauptargument der Gegner nicht. Hornunfälle können passieren, aber Unfälle durch Tritte kommen bedeutend häufiger vor. Auch dass Personen von Tieren gegen eine Wand gedrückt werden, geschieht häufiger, als dass sie durch Hörner verletzt werden.
  • Tierschutzgesetz. Gemäss Fachleuten verstösst das routinemässige Enthornen gegen das geltende schweizerische Tierschutzgesetz.
  • Laufstallhaltung. Behornte Kühe lassen sich sehr wohl im Freilaufstall halten, wenn dieser richtig dimensioniert und eingerichtet ist und das Management ruhig und gut durchdacht ist. Auch Rassen mit grossen Hörnern funktionieren gut im Laufstall, zum Beispiel das Salers-Rind.
  • Wärmehaushalt. Es gibt wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass die Hörner den Kühen in tropischen Klimazonen auch zur Regulierung der Körpertemperatur dienen.

Warum braucht es die Hornkuh-Initiative?
  • Ein Laufstall für horntragende Kühe muss um ein Drittel grösser sein und die Stalleinrichtungen müssen dem Verhalten der Tiere angepasst sein. Das kostet Geld.
  • Wegen des grösseren Platzbedarfs können auf derselben Stallfläche weniger Tiere gehalten werden. Das bedeutet weniger Einnahmen.
  • Die Mensch-Tier-Beziehung muss intensiver gepflegt werden. Das bedingt einen grösseren Zeitaufwand.
  • Gemäss dem schweizerischen Tierschutzgesetz darf niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten. Unseres Erachtens verletzt das Enthornen die Tierwürde.
  • Stallsysteme sollen dem Tier angepasst werden, nicht das Tier dem Stallsystem.
  • Das Enthornen ist nicht völlig schmerzfrei durchführbar. Der grosse Hauptnerv in der Hornanlage ist praktisch nicht komplett zu betäuben. Die Betäubung und die schmerzstillenden Medikamente sedieren das Kalb so weit, dass seine Schmerzreaktionen gering, aber dennoch gut wahrnehmbar sind.
  • Hornlose Rinder müssen ihre Konflikte im direkten Körperkontakt austragen. Das führt zu inneren Verletzungen, die äusserlich nicht sichtbar sind. Aber der Metzger kann das gequetschte Fleisch nicht verwerten.
  • Und warum wohl haben die Kühe in der Werbung und auf den Verpackungen immer Hörner?

Samstag, 19. August 2017

An Alle, die an der Zukunft des Euro interessiert sind - lesen Sie die "F.A.Z." von heute Samstag, den 19.08.2017!


An Alle, die an der Zukunft des Euro interessiert sind:

Lesen Sie die Analyse in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von heute Samstag, den 19.08.2017:
„Die Tragik der Europäischen Währungsunion (EWU)“
von Professor Thomas Mayer, Universität Witten/ Herdecke

in dem von Herausgeber Holger Steltzner geleiteten Wirtschaftsteil auf Seite 22.
(kein Link möglich; nur als Print- oder als E-Paper zu lesen)


„Die Europäische Zentralbank (EZB) regiert nun den für das Euro-Staatsgeld geschaffenen Schattenstaat.
Diese Konstruktion bleibt anfällig für neue Krisen. Wie geht es weiter?
Zu den drei denkbaren Szenarien gehört auch die Einführung einer neuen D-Mark.

Gliederung:

[Einleitung]

Der Rheingraben und die Folgen (Deutschland <-> Frankreich)

Der Euro, ein Kind des Kreditbooms
3 Szenarien:
(1)  weiteres Durchwursteln und spontanes Krisenmanagement wie gehabt.
(2)  die Institutionalisierung der weichen Budgetrestriktionen durch eine „Transferunion“ [Macron]
(3)  die Verwirklichung des Konzepts der Hartwährung mit harter Budgetrestriktion

Weiteres Durchwursteln

Weiche Budgetrestriktionen

Der harte Euro

Am Ende die Tragik der Allmende
Obwohl das hier skizzierte dritte Szenario die einzige Möglichkeit darstellt, eine Gemeinschaftswährung für Europa ohne europäische Staatgründung zu schaffen, beschreibt es die am wenigsten wahrscheinliche zukünftige Entwicklung.
Der Grund dafür ist, dass die meisten europäischen Regierungen die politischen Kosten für die Beachtung harter Budgetrestriktionen scheuen.
Diese Regierungen stützen ihre politische Macht auf ihnen gewogene Klientele. Im Gegenzug erwarten diese Gruppen Unterstützung und Schutz von den Regierungen. Diese werden dadurch gewährt, dass weiche Budgetrestriktionen in der Hoffnung geschaffen werden, die dadurch entstehenden Kosten auf die Ebene der EU oder EWU zu verschieben.
Dies spricht für die Institutionalisierung weicher Budgetrestriktionen auf Ebene der Europäischen Währungsunion.
Doch erscheint es unvermeidlich, dass die EWU in diesem Szenario langfristig an der Tragik der Allmende zerbricht: Wie diese wird der Euro durch die Verantwortungslosigkeit der Nutzer zerstört werden.

Freitag, 18. August 2017

Hifloses, dümmliches Merkelgeschwätz


"Diese Mörder werden uns nie besiegen" ruft Bundeskanzlerin Merkel martialisch - "besiegen" - aus. 
 
Doch darum geht es gar nicht. Der IS will unsre Bewegungs-, Verhaltens- und Meinungsfreiheit einschränken. Das tut er erfolgreich mit jedem weiten Attentat.

Wir lassen uns überwachen. uns kontrollieren und von oben herab lenken, wie das seit vielen Jahren nicht mehr der Fall gewesen ist.

Jedes Land - auch Deutschland muss aufrüsten: mehr Geld in die Überwachung, in die Geheimdienste, mehr Geld in die Polizei und Justizorgane, mehr Geld in die Bundeswehr. Geld. das anderswo nicht zur Verfügung steht - z.B. für die Sanierung der maroden Infrastrukturen von Bahn, Straße und Wasserwegen - wie auch von Schulen, von Kliniken usw.: Milliarden im mittleren zweistelligen Betrag.