Montag, 31. Dezember 2012

Der JUSO-Twitter der Sarah Wyss aus Basel



"JUSO-Chefin greift Brunner an - SVP fordert Rücktritt"

20Minutenonline, vom 31.12.2012 von Antonio Fumagalli


Die Basler Grossrätin Sarah Wyss twitterte, dass «rassistische Leute wie Brunner» ins Lager gehören. Sie spricht von «Ironie» und einer «ungeschickten Äusserung» - die SVP hat dafür wenig Musikgehör.
Sarah Wyss, Präsidentin der JUSO Basel-Stadt und Grossrätin, hat sich mit einer Twitter-Äusserung Ärger eingebrockt.

Sarah Wyss, Präsidentin der JUSO Basel-Stadt und ab der neuen Legislatur Grossrätin im Halbkanton, hat eine schlaflose Nacht hinter sich. Grund für die Aufregung ist ein Tweet, den sie bereits am 23. Dezember verfasst hat. Als Replik auf den Eintrag, «wer wohl die nächste Minderheit sei, die ins Lager gesteckt werden soll», antwortete sie: «Ich hoffe, solche rassistische und menschenverachtende Leute wie Brunner.»
Politiker-Fehltritte auf Twitter

Nicht zum ersten Mal sorgt ein Twitter-Eintrag eines Schweizer Politikers für Empörung: Erst kurz vor Weihnachten stiess SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli Homosexuelle vor den Kopf, als er im Zuge einer Abstimmung über das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare den Tweet «Wann verlangen die Linken auch das Adoptionsrecht für Haustiere?» postete.

Die grössten Wellen schlug die Twitter-Nachricht des Zürcher Lokalpolitikers Alexander Müller im Juni dieses Jahres. Er schrieb «Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht...diesmal für Moscheen» in seinen Account. Der SVP-Mann bestritt die Äusserung zunächst, dank einer Monitoring-Plattform konnten seine gelöschten Einträge aber wiederhergestellt werden. Müller trat in der Folge aus der SVP aus und legte alle seine Mandate nieder. (fum)
Hintergrund der Twitter-Diskussion ist die SVP-Forderung nach geschlossenen Betreuungszentren für Asylbewerber. «Das Asylzentrum würde nur verlassen, wer einen Grund vorzuweisen hätte», sagte Präsident Toni Brunner gegenüber der SonntagsZeitung und kündigte eine entsprechende Volksinitiative an.

«Antwort ironisch gemeint»
JUSO-Chefin Wyss hält Brunners Forderungen für «menschenverachtend und gefährlich». Aus einer Laune heraus habe sie dann den Tweet verfasst. «Meine Antwort war ironisch gemeint. Jeder, der mich kennt, weiss, dass ich niemals einen Mitmenschen in ein Lager stecken möchte - egal welche Gesinnung er hat», sagt die 24-Jährige gegenüber 20 Minuten Online.
Wyss bedauert ihren Eintrag und spricht von einer «ungeschickten Äusserung». Heute würde sie ihn «ganz sicher nicht mehr so schreiben». Für eine Entschuldigung bei Toni Brunner sehe sie allerdings keinen Anlass. «Wenn schon, soll er sich für seine Aussagen entschuldigen», so Wyss.
«Erwarte gewissen Anstand»
«Das zeigt doch, an welch kleinem Ort ihre Einsicht ist», sagt der Berner SVP-Grossrat Thomas Fuchs, der die Welle der Empörung mit einem Facebook-Eintrag ins Rollen gebracht hat. Von einer Grossrätin erwarte er «einfach einen gewissen Anstand».
Fuchs geht aber noch einen Schritt weiter: «Da sich Wyss offensichtlich nicht entschuldigen will, werden wir sie zum Rücktritt auffordern», so Fuchs. Er wolle noch heute Nachmittag mit Jung-SVP-Präsident Erich Hess zusammensitzen, um die Sache aufzugleisen. JUSO-Chefin Wyss will sich nicht darauf einlassen: «Ich bin aber jederzeit bereit, mit der SVP die Sache zu diskutieren - auf sachlicher Ebene.»

Rhoenblicks Kommentar:

Sarah Wyss hat eindeutig falsch getwittert. Sie regiert frech, wenn sie meint sich nicht entschuldigen zu müssen, aber sagt: „Wenn schon, soll er [Herr Toni Brunner] sich für seine Aussage entschuldigen“. Die Aussage von Herrn Brunner: „Geschlossene Asylzentren. Das ist zu diskutieren. Wir haben ein Asylanten-Problem.

So spricht und argumentiert Sarah Wyss in ihren Kreisen, das bleibt ihr unbenommen. So verstehe ich auch ihren Gesichtsausdruck. Sie hat erkannt, wird es aber nicht zugeben, dass sie, eine Grossrätin, falsch getwittet hat.

Ein bedeutend schweres Kaliber der Verfehlung ist der Twitter von Herrn Alexander Müller. So was geht nicht. Wir haben in einer Volksabstimmung den Bau von Minaretten abgelehnt: das heisst aber nicht, dass wir Menschen muslimischen Glaubens verfolgen, Moscheen beschädigen, zerstören, wie dies die deutschen während der Nazizeit gemacht haben. Sind diese Täter je zur Rechenschaft gezogen und bestraft worden? Der Twitter von Herrn Alexander Müller ruft zum Landfriedensbruch auf, dies ist strafbar.

Die Idee von geschlossenen Asylzentren unterstütze ich.

Ich bin gegen das Adoptionsrecht von Homosexuellen. Dennoch bedaure ich sehr, dass Herr Professor Dr. Christoph Mörgeli sich mit seinem Haustier-Twitter   zu diesem Thema geäussert hat.

Wie Merkel Milliardenhilfen an Griechenland in die Taschen der deutschen Rüstungsindustrie leitet.

“Deutsche Waf­fen für das ver­schul­dete Griechenland”
“Solidar​ität oder Geschäftssinn?”


L​ink: Deutschland Waffenexport
Unter diesem Titel brachte Deutschlandradio Kultur eine Beitrag von Bruno Schoch (Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung ), in welchem der Autor darlegt, wie die griechische Regierung der Bevölkerung drastische Sparmaßnahmen aufzwingt aber viel Geld für die Rüstung im Allgemeinen und für Waffenkäufe im Besonderen ausgibt. Besonders pikant: Die deutsche Bundesregierung hat sich für die Waffenlieferungen eingesetzt, während sie von der griechischen Regierung einen harten Sparkurs verlangt.
Im Folgenden sind wesentliche Aussagen des Beitrags zusammengefasst. Er kann bei Deutschlandradio nachgelesen oder nachgehört werden (Link siehe unten).
Deutsche Unternehmen profitieren enorm davon, dass Griechenland am Rande des Ruins steht – gemeint sind deutsche Waffenschmieden. Darüber redet eine Regierung nicht gerne, die der Öffentlichkeit zusammen mit einer vom Boulevard angeheizten Kampagne lange weismachte, der arbeitsscheue “Olivengürtel” Europas hätte nichts anderes im Sinn, als den fleißigen Deutschen ihr Geld aus der Tasche zu ziehen.
Laut dem Rüstungsexportbericht​ 2011 der “Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung” (GKKE) bewilligte die Bundesregierung allein 2010 Waffenlieferungen für 35,8 Millionen Euro nach Griechenland. Zwischen 2005 und 2009, so der GKKE-Bericht von 2010, hatten nur China, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Südkorea mehr Waffen importiert als Griechenland. Ihm wurden zwischen 1999 und 2009 aus Deutschland mehr als 700 Kampfpanzer und Panzerhaubitzen geliefert. Plus Schiffe, U-Boote und Flugzeuge made in Germany.
Gemessen an der Bevölkerung hat Griechenland von allen europäischen Ländern den höchsten Militärhaushalt: gut 7 Milliarden Euro, an die 3 Prozent seines Bruttosozialprodukts.​ Während der Sozialhaushalt Griechenlands in diesem Jahr um weitere 9 Prozent schrumpfen soll, soll der Verteidigungshaushalt​ hingegen um 18 Prozent wachsen!
Hintergrund ist das ruinöse Wettrüsten mit der Türkei. In die Türkei wiederum exportierte Deutschland zwischen 2002 und 2009 Waffen für 13,7 Milliarden Euro.
Beitrag auf Deutschlandradio Kultur nachlesen/hören.

Rhoenblicks Kommentar:
Dieses “Wettrüsten” mit der Türkei darf für Deutschland kein Vorwand sein, an Griechenland allein im Jahre 2010 für 36 Milliarden Euro Waffen zu verkaufen. Die Türkei hat innerhalb von acht Jahren „nur“ für 14 Milliarden Euro Waffen aus Deutschland gekauft. Die Türkei hat echte Probleme der Grenzsicherung, Griechenland nur eingebildete – aber das hindert Merkel, die von der Waffenindustrie abhängig ist, nicht, unsinnige Verkäufe an Griechenland zu bewilligen.



Wohlverstanden – diese deutschen Rüstungsexporte nach Griechenland laufen ab zu einer Zeit, da Griechenland in höchsten Nöten ist.

Die Milliarden, die nach Griechenland fliessen, fliessen in die Portemonnaies der deutschen Rüstungsindustriellen.
 

Wie Merkel deutsche Waffenexporte rechtfertigt

“Hilfe zur Selbsthilfe Angela Merkel verteidigt Waffenexporte als Mittel zum Frieden”

focus online, Montag, 22.10.2012, 21:36, Quelle: Reuters
Link: Merkel Merkels Waffenverkäufe Merkel: Waffenverkäufe dienen der Friedenssicherung

Bundeskanzlerin Merkel hat Rüstungsexporte als ein Instrument zur Friedenssicherung verteidigt. Waffen und begleitende Schulungen seien Hilfe zur Selbsthilfe, um Konflikte durch die streitenden Parteien direkt zu lösen.
Wo Deutschland nicht selbst den Frieden sichern könne, könne es „vertrauenswürdigen Partnern“ dabei helfen, sagte Angela Merkel (CDU)
am Montag auf der Bundeswehrtagung in Strausberg bei Berlin.

Rhoenblicks Kommentar:
"Waffen und begleitende Schulungen sind Hilfe zu Selbsthilfe, um Konflikte durch die streifenden Parteien selbst zu lösen".
Merkel ist zynisch, berechnend, handelt verantwortungslos.
Jeder denkende Deutsche muss da sich fragen, weiss da die Merkel, was sie da sagt? Ist die Merkel dumm? Wo sichert Deutschland den Frieden?
Aus Afghanistan zieht sich Deutschland zurück. Vor der Unterstützung des Volksaufstandes in Libyen hat sich Deutschland gedrückt. Bei Ägypten hat Westerwelle eine Worthülse nach der anderen gedrechselt.
Vor allem: Deutschland kann in keiner Weise garantieren, dass die “vertrauenswürdigen Partner” vertrauenswürdig bleiben. Ganz abgesehen davon, dass grosse Zweifel angebracht sind, ob Merkel und ihr Westerwelle in der Lage sind “vertrauenswürdige Partner” zu erkennen.
Wenn Merkel den Israelis U-Boote schenkt, dann ist also Israel ein “vertrauenswüediger Partner”? Israel, das seit 1985 Kernwaffen besitzt, aber die internationalen Abkommen, den Atomwaffensperrvetrag nicht unterzeichnet.
Atomwaffensperrvertrag:Der Atomwaffensperrvertrag oder Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (“NVV” bzw. englisch Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT) ist ein internationaler Vertrag, der das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die „friedliche Nutzung“ der Kernenergie zum Gegenstand hat.
Er wurde von den fünf Atommächten Russland, USA, Frankreich, Volksrepublik China und Großbritannien initiiert und mittlerweile von 190 Staaten unterzeichnet bzw. ratifiziert. Von vier Nationen, die nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrages sind, wird der Besitz von Atomwaffen angenommen: Indien, Israel, Nordkorea und Pakistan.

Sonntag, 25. November 2012

Deutsche Finanzämter, Finanzgerichte und der Bundesfinanzhof beugen Recht

Artikel aus:





Rhoenblicks Kommentar:
Und wieder fasst die „Weltwoche“ ein heisses Eisen an, das - leider - in anderen Zeitungen praktisch nicht abgehandelt wird; über das somit in der Schweiz Unkenntnis besteht. Die schweizerischen Parlamentarier sind darüber zu orientieren, sonst ist es möglich, dass die die eigenen Landsleute schädigende Motion des Sozialdemokraten Fehr noch angenommen wird.

Die deutschen Finanzämter, Finanzgerichte und der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) sind unverfroren; sie kümmern sich einen Deut um das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz. Das wissen die Verantwortlichen im Eidgenössisches Departement für
auswärtige Angelegenheiten (EDA) und im Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) schon längst, aber sie verschweigen es, sie kuschen vor Deutschland! „Das Kaninchen vor der Schlange“ titelt zum Thema Steuerabkommen Schweiz-Deutschland die NZZ den Artikel von René Zeller (24.11.) in dem wörtlich steht; „Der Bundesrat agiert mit gebeugtem Rücken“; von Bittgängen ist die Rede, die „nicht geeignet sind das eidgenössische Rückgrat zu begradigen“. So verhält sich der Bundesrat, so verhält sich die eidgenössische Verwaltung immer, wo es um deutsche Anmassung geht.

Deutschland ist das einzige Land, das sich nicht an das mit der Schweiz ausgehandelte DBA hält.

Von den deutschen Finanzämtern bis zum Bundesfinanzhof wird auch der Art. 19 DBA konsequent missachtet. Durch geschickte Urteilsfällung verhindern die Deutschen die Anrufung des im DBA vorgesehenen Verständigungsverfahrens (Art. 26). In anderen Fällen hat sich der BFH in Wild-West-Manier über das Resultat der Verständigungsverhandlungen zwischen dem deutschen Bundesfinanzministerium (BMF) und dem EDF hinweggesetzt. Die Schweizer Kantone anderseits halten sich bei Deutschen, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, korrekt und konsequent an das DBA. Wozu haben wir ein Departement für Finanzen, ein solches für auswärtige Angelegenheiten, wenn diese Schweizer, die vom deutschen Staat finanziell misshandelt, einfach im Regen stehen gelassen werden?

Gut, dass die Deutschen das Steuerabkommen selbst gefällt haben. Dieses hätte ein weiteres Betätigungsfeld deutscher Rechtswillkür geöffnet.


Die NZZ spricht ihrerseits eine klare Sprache in Bezug auf das deutsche Verhalten gegenüber dem Steuerabkommen Schweiz - Deutschland und rügt den schweizerischen rückgratlosen Bundesrat.


Ich bin beiden Zeitungen sehr dankbar für ihre klare Darstellung der Lage.

Der Bundesrat und mit ihm seine Verwaltung müssen jetzt mit allen Mitteln gegen das Fehlverhalten der deutschen Finanzämter, Finanzgerichte und des deutschen Bundesfinanzhofes antreten.

   

Steuern: Lohn geht direkt an den deutschen Staat


„Weltwoche“ vom 22. November 2012, verfasst von Florian Schwab.


Auch Schweizer im Ausland profitieren von der ­Personenfreizügigkeit, heisst es. Wirklich?

Die Personenfreizügigkeit war für die Schweizer Lufthansa-Piloten eine gute Nachricht. Endlich brauchten sie keine deutsche Arbeitsgenehmigung mehr. Viele Schweizer Piloten verlegten ihren Wohnsitz in die Schweiz, wo ihre Familien leben, und behielten am Lufthansa-Sitz in Frankfurt lediglich ein sogenanntes Stand-by-Zimmer, um sich nach Interkontinentalflügen auszuruhen. Ihr Einkommen versteuerten sie fortan zu Hause.
Was zunächst eine Verbesserung mit sich brachte, entwickelte sich danach zu einem Albtraum. Der Grund: Den deutschen Steuerbehörden sind das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und die Personenfreizügigkeit egal, wenn es darum geht, die Kassen des Staates zu füllen.
Die Weltwoche hat den Fall zweier Familienväter aus der Deutschschweiz eingesehen, die im Mai 2009 Post vom deutschen Finanzamt erhielten. Betreff: «Einleitung eines Steuerstrafverfahrens». Nennen wir die beiden Betroffenen Martin Kunz und Reto Scholl. Rückwirkend auf zehn Jahre sollten sie ihr in der Schweiz bereits versteuertes Einkommen in Deutschland noch einmal versteuern - ein Verstoss gegen das DBA. Das Finanzamt kundschaftete ihr Vermögen in der Schweiz aus und veranschlagte grosszügig: Selbst der Handwerksbetrieb von Kunz’ Eltern wurde als Einkommensquelle angenommen und «Aushilfstätigkeit für den elterlichen Betrieb» mit 5000 Euro jährlich veranschlagt. Auch die Verzinsung des Schweizer Bankkontos wurde grosszügig geschätzt.
Mit Zins (6 Prozent) und Zinseszins belief sich die Rechnung im Falle von Kunz auf 445 831.35 Euro, zahlbar innert dreissig Tagen. Er legte Einspruch ein, worauf ihm das Finanzamt für die Dauer des Verfahrens die Zahlung erliess. Nach zermürbenden Jahren musste der Staat schliesslich auf den Grossteil verzichten.
Es bleiben 1000 Euro
Weniger gut erging es Scholl. Obwohl sich die Fälle bis aufs Haar gleichen, nutzte ein anderes Finanzamt trotz hängiger Einsprache seinen Ermessensspielraum und veranlasste eine Lohnpfändung. Seither geht sein Lohn direkt an den deutschen Staat, bis auf etwas mehr als 1000 Euro. Unter diesen Bedingungen kann Scholl seiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Er ist arbeitsunfähig, und die juristische Verteidigung ist teuer. An seiner Lage hat auch nichts geändert, dass das Finanzgericht des Bundeslandes Hessen im April 2012 in einem anderen Fall entschied, das Bestehen eines Standby-Zimmers begründe «keinen Wohnsitz in Deutschland».
Mehr als 75 500 Schweizer arbeiten in Deutschland, ein Teil von ihnen sind Grenzgänger. Ihnen drohen unter Umständen ähnlich einschneidende steuerliche Probleme. Sogar eine regelmässig genutzte Hotelunterkunft in Deutschland kann sich als Steuerfalle erweisen.
In dem Zusammenhang ist es brisant, dass jüngst Nationalrat Hans-Jürg Fehr (SP) in einer Motion verlangte, dass die Schweiz dem Strassburger Übereinkommen für gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen beitreten möge. Der deutsche Staat könnte seine Steuern damit in der Schweiz durchsetzen und Vermögen in der Schweiz konfiszieren lassen.
Die Schweizer Piloten in Deutschland haben sich vor längerer Zeit zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, welche auch für Betroffene ausserhalb der Aviatik offensteht (igfbm@gmx.ch).

  Das Kaninchen vor der Schlange


 „NZZ“ vom 24. November 2012, verfasst von René Zeller.



Muss die Schweiz umdenken, weil sich die giftige deutsche Opposition dem mit der Schweiz ausgehandelten Steuerabkommen widersetzt? Dazu besteht kein Anlass. Notwendig ist aber, dass die Landesregierung ihre Rolle als brave Bittstellerin abstreift.
Das innerdeutsche Hufgetrappel übertönt zurzeit vieles. In Berlin hat die Länderkammer gegen das mit der Schweiz ausgehandelte Steuerabkommen votiert. So sei es.
Wer meint, damit sei das ausgeklügelte Konzept einer Abgeltungssteuer schicklich beerdigt worden, liegt allerdings falsch. Richtig ist vielmehr, dass die Schweiz mit Grossbritannien und Österreich sinngemässe Abkommen abgeschlossen hat. Sie sind nach dem gleichen Muster aufgebaut wie der von der deutschen Opposition verschmähte Staatsvertrag. Wer in jenen Staaten steuerpflichtig ist und Vermögenswerte auf einer Schweizer Bank deponiert hat, soll diese regulär zuhanden seines Heimathafens versteuern. Der Mechanismus sieht vor, dass die von Banken und Eidgenössischer Steuerverwaltung zu vollziehende Besteuerung rückwirkend und auch künftig gilt. Grossbritannien und Österreich halten dieses Vorgehen für zielführend. Ergo treten die mit diesen beiden Ländern abgeschlossenen Steuerabkommen auf Anfang 2013 in Kraft. Das ist die positive Nachricht, die den in Berlin säbelrasselnd zelebrierten Starrsinn konterkariert.

Ein Plebiszit hätte geholfen

Vergessen geht angesichts der oppositionellen Buhrufe aus Deutschland auch, dass an diesem Wochenende eigentlich der Schweizer Souverän am Zug gewesen wäre. Gegen alle drei Steuerabkommen war das Referendum angestrengt worden. Die schillernde Allianz aus Jungsozialisten, Legisten und Isolationisten brachte allerdings die notwendigen Unterschriften nicht fristgerecht zusammen. Das ist demokratiepolitisch bedauerlich, und zwar in dreifacher Hinsicht: Erstens haben mehrere Gemeindekanzleien bei der amtlichen Beglaubigung der Unterschriftenbögen in nicht entschuldbarer Weise geschlampt. Zweitens hätte ein Nein zum Referendum das Modell der Abgeltungssteuer gehärtet. Drittens wäre der Bundesrat bei einem positiven Volksentscheid mit gestärktem Rückgrat aus der direktdemokratischen Ausmarchung hervorgegangen.
Leider, muss man konstatieren, kam das Volk nicht zu Wort. Denn der Bundesrat agiert mit gebeugtem Rücken.
Was veranlasst die Schweizer Regierung, auf dem internationalen Parkett für die Abgeltungssteuer zu werben, als sei sie eine Bittstellerin? Die Schweiz hat ihre Hausaufgaben gemacht. Sie hat ein Steuermodell entwickelt, das tauglich ist. Zwar kritisieren notorische Besserwisser, es sei unwürdig, dass die Schweizer Banken künftig für fremde Steuervögte arbeiten müssten. Die Vorteile wiegen diesen Makel aber bei weitem auf. Die Schweiz löst das berechtigte Erfordernis ein, keine unversteuerten Gelder mehr in hiesigen Banktresoren zu dulden. Handkehrum erfüllt die Abgeltungssteuer den ebenso legitimen Anspruch auf Privatsphäre. Anders gesagt: Das Bankgeheimnis wird nicht vollends geschreddert.
Es ist lohnenswert, für eine solche Lösung zu kämpfen. Auch im Gegenwind, der von links bläst. Dass die Schweizer Genossen traditionsgemäss mit dem Bankgeheimnis nichts anfangen können, ist bekannt. Die sozialdemokratische Wortführerin Susanne Leutenegger Oberholzer spricht ebenso konsequent wie böswillig vom «Steuerhinterziehungs-Geheimnis» – als seien auf dem Finanzplatz Schweiz ausschliesslich Delinquenten tätig. Auch die Grünen sind den Banken nicht grün. Ein Faktum ist aber auch, dass weder der Gesetzgeber noch das Schweizervolk dem Bankgeheimnis die rote Karte gezeigt haben. Diese Realität muss dem Bundesrat als Richtschnur dienen. Im Inland und im Ausland.

 Den Polterern die Stirn bieten

Welches Vorgehen ist also geboten? Zunächst gilt es, im Machtpoker mit Deutschland die Proportionen zurechtzurücken. Die Anwürfe der sozialdemokratischen Polterer müssen benannt werden: Wer glaubt, von Hehlern gestohlene Bankdaten kaufen zu müssen, macht sich unglaubwürdig. In diese Kategorie einzuordnen ist der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Wer die Schweizer Banken kollektiv in den Dunstkreis der organisierten Kriminalität rückt, verspielt seinen politischen Kredit. Das gilt für den dreisten SPD-Chef Sigmar Gabriel. Im Vergleich zu ihm ist sein Parteifreund Peer Steinbrück ein Minnesänger, auch wenn er in die Schweiz reiste, um gegen ebendiese Schweiz für viele Fränkli Reden zu schwingen.
Wer nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren will, darf nicht permanent schweigen. Jedoch: Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf schweigt seit Monaten. Sie stellte sich offenkundig auf den Standpunkt, dass eine Intervention im Vorfeld der deutschen Entscheidfindung nicht opportun gewesen wäre. Das mag vielleicht zutreffen. Konsequenterweise hätte sie dann allerdings ihren Staatssekretär Michael Ambühl nicht nach Berlin schicken dürfen, um die Abgeltungssteuer vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags zu verteidigen. Auch der Bittgang des Schweizer Spitzendiplomaten nach Stuttgart war nicht geeignet, das eidgenössische Rückgrat zu begradigen. Dass man sich unter souveränen Staaten auf Augenhöhe begegnet, weiss man zumindest in Deutschland. Man stelle sich vor: Vertrauensleute von Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble reisten nach Altdorf oder Glarus, um bei den dortigen Kantonsbehörden für ein deutsches Anliegen zu lobbyieren. Undenkbar.

Bundesrat in der Brandung
Finanzministerin Widmer-Schlumpf ist immerhin zugutezuhalten, dass sie nach der Ratifizierung der Steuerabkommen durch die eidgenössischen Räte erklärte: «Es gibt keine Nachverhandlungen.» Daran wird sie zu messen sein.
Wie ein Fels in der deutschen Brandung steht die Schweizer Position leider nicht. An Gerüchten, dass gegenüber Berlin weitere Konzessionen gemacht werden könnten, fehlte es nicht. Die Bundespräsidentin hielt es nicht für nötig, solche Mutmassungen zu zerstreuen. Das kommunikative Vakuum auf politischer Seite veranlasste Wortführer der Wirtschaft, in die Rolle von «Regierungssprechern» zu schlüpfen: Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta glaubt zu wissen, die Schweiz werde den eingeschlagenen Weg unabhängig von Deutschland weitergehen. Der Präsident der Bankiervereinigung, Patrick Odier, ist sich sicher, dass weitere Länder auf das Angebot der Abgeltungssteuer einsteigen würden. Ob die Abgeltungssteuer Zukunft hat, entscheiden allerdings nicht Bankenvertreter, sondern die Politik.
Finanzplatz Schweiz wohin? Das sinnvolle Konstrukt der Abgeltungssteuer bleibt vorerst auf Sand gebaut. Die Abkommen mit Grossbritannien und Österreich sind kein tragfähiges Fundament. Für die Schweizer Linke ist die Schleifung des Bankgeheimnisses unumgänglich. Für die Finanzminister der SPD-dominierten Länder steht fest, dass ein neues Abkommen ausgehandelt werden muss. Klar ist vorerst so viel: Wenn der Bundesrat gegenüber Deutschland einknickt, ist die Abgeltungssteuer Makulatur.


Freitag, 23. November 2012

Deutscher Bundesrat lehnt Steuerabkommen ab - Stellungnahmen von SVP, FDP und CVP


Originaltitel: "Bundesrat stoppt Steuerabkommen mit der Schweiz"

t-online vom 23.11.2012, 13:38 Uhr | AFP, dpa (Quelle: Montage t-online.de/dpa)
Link: http://nachrichten.t-online.de/bundesrat-stoppt-steuerabkommen-mit-der-schweiz/id_61036248/index

Finanzminister Schäuble will weiter für das Steuerabkommen mit der Schweiz kämpfen

Stellungnahmen von SVP, FDP und CVP 

Keine weiteren Zugeständnisse an Deutschland
 Für die SVP ist die Ablehnung des Abgeltungssteuerabkommens durch den deutschen Bundesrat (Länderkammer) keine Überraschung. Bleibt es bei der Ablehnung und ratifiziert Deutschland das Abkommen nicht, gilt das bestehende Recht weiter. Deutschland wird damit auch in Zukunft Rechts- und Amtshilfebegehren in Steuersachen stellen können. Keinesfalls darf nun die Schweiz im Hinblick auf allfällige Verhandlungen im innerdeutschen Vermittlungsausschuss weitere Zugeständnisse machen. Deutschland kann das Abkommen in der nun vorliegenden Form annehmen oder ablehnen. Etwas anderes gibt es nicht. So wendet sich die SVP auch kategorisch gegen eine rückwirkende Zulassung von Gruppenanfragen durch die Schweiz, welche in den vergangenen Wochen als Option ins Spiel gebracht wurde. Dies wäre rechtsstaatlich unhaltbar und würde die Rechtssicherheit weiter untergraben.
Medienmitteilung der FDP.Die Liberalen
Bern, 23. November 2012
Abgeltungssteuerabkommen als Spielball des Deutschen Wahlkampfes
FDP.Die Liberalen bedauert den Entscheid des Deutschen Bundesrates
Die Abgeltungssteuerabkommen wurden 2009 von FDP.Die Liberalen im Rahmen der Weissgeldstrategie lanciert. Jenes mit Deutschland wurde heute vom Deutschen Bundesrat abgelehnt. Die FDP bedauert diese Entscheidung der deutschen Länderkammer und zählt nun auf die Vernunft der Beteiligten im Vermittlungsausschuss. Das wichtige Abkommen würde allen Seiten Vorteile bringen. Es sollte nicht zum Spielball des deutschen Wahlkampfes werden.
FDP.Die Liberalen bedauert die klare Ablehnung des Abgeltungssteuerabkommens im Deutschen Bundesrat durch die dortige linke Mehrheit. Das Abkommen war im Deutschen Bundestag klar akzeptiert. Es ist zudem das einzige Mittel, damit nicht jedes Jahr Milliarden Euro in die Verjährung entlassen werden – allein für 2014 wird der Betrag auf 1,5 Mia. Euro Steuerausfälle geschätzt. Trotzdem nutzten die linken Parteien ihre Bundesratsmehrheit, um einen wahlkampftaktischen Coup zu landen. Damit schaden sie dem Steuerzahler und sich selber, denn die durch das Abkommen zu erzielenden Einnahmen gehen insbesondere den Ländern und Gemeinden verloren.
Die FDP schreibt das Abkommen nicht ab. Vielmehr setzt die FDP darauf, dass im Vermittlungsausschuss zwischen Deutschem Bundestag und Deutschem Bundesrat eine Übereinkunft getroffen werden kann. Die Forderungen der deutschen Linken bezüglich Nachverhandlungen, insbesondere in Bezug auf den Automatischen Informationsaustausch lehnt die FDP ab. Der Schweizer Bundesrat soll hier die bisherige Strategie weiterverfolgen, mit weiteren Staaten analoge Abkommen abzuschliessen. Mit einer Resolution hat die Delegiertenversammlung der FDP Ende Oktober ihre Haltung diesbezüglich unterstrichen.
Die seit 2009 verfolgte Weissgeldstrategie der FDP.Die Liberalen ist Grundlage für einen starken und sauberen Finanzplatz. Abgeltungssteuerabkommen sind ein zentrales Element dieser Strategie, um Rechtssicherheit zu schaffen und die Privatsphäre der Schweizer Bürgerinnen und Bürger weiterhin zu sichern. Die bereits ratifizierten Abkommen mit dem Vereinigten Königreich und Österreich zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind – aus Liebe zur Schweiz.
Medienmitteilung der CVP
Take it or leave it! 
Die deutsche Länderkammer hat entgegen dem deutschen Bundestag und der Regierung das Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz abgelehnt. Damit hat sie eine Chance verpasst, eine für beide Seiten optimale Lösung zu verabschieden. Diese Lösung hätte die Steuerdifferenzen zwischen Deutschland und der Schweiz für die Vergangenheit und die Zukunft nachhaltig bereinigt. Vielleicht erreicht der Vermittlungsausschuss in den nächsten Tagen eine Zustimmung, ansonsten gilt der Status quo und Deutschland verzichtet auf die sehr hohen Abgeltungssteuern verbunden mit entsprechenden hohen Zahlungen. Jetzt ist Deutschland am Zug. Aber ein automatischer Informationsaustausch wie ihn die Sozialisten beider Länder  fordern, kommt für die CVP nicht in Frage. Die Wahrung der Privatsphäre ist ein wesentliches Element der Schweiz, welche ihren Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich vertraut.
Für Christophe Darbellay, Präsident der CVP Schweiz kommt die Absage des deutschen Bundesrates nicht überraschend, hat doch die SPD während Monaten gegen dieses für beide Seiten faire Abkommen gewettert und dieses als Profilierungsplattform für den Wahlkampf genutzt. „Noch schlimmer jedoch empfinde ich die Haltung der schweizerischen Sozis, welche sich gegen die Abgeltungssteuer stark gemacht haben, auch in Deutschland und seit Jahren im Ausland gegen das Bankgeheimnis ins Feld ziehen. Wenn es um den Werk-und Finanzplatz Schweiz geht, um unsere Arbeitsplätze, um Rechtssicherheit müssen alle zusammenstehen. Die Wahrung der Privatsphäre ist ein Grundsatz in der Schweiz. Hier vertraut man den Bürgerinnen und Bürgern. Wir wollen keine gläsernen Bürger. Der automatische Informationsaustausch, welche die Sozialisten wollen, ist ein Weg dazu. Jetzt muss Deutschland eine Ansage machen. Im Moment kann man nicht mehr sagen als: Take it or leave ist.“

Montag, 19. November 2012

Unsere Freiheit in Gefahr



Aus „Extrablatt der SVP

Rede von Bundesrat Maurer an der Ustertagsfeier am 18.11.2012 – eine staatsmännische Beurteilung der Lage


Rhoenblicks Kommentar:

„Sehr geehrter Herr Bundesrat!
Ich danke Ihnen für Ihre ausgezeichnete Rede am Ustertag 2012, deren historischer Inhalt ausgezeichnet zur heutigen Situation unserer Schweiz in Europa passt.
„Nicht weil wir vieles falsch machen, stehen wir immer wieder am Pranger, sondern weil wir vieles besser machen.“
Ich spüre in Deutschland in der classe politique eine Abneigung gegen unsere Demokratie. Diese Politiker-Kaste will und braucht möglichst "dumbe Menschen". Aber es taget auch hier - viele Bürgerinnen und Bürger möchten es - unser demokratisches Staatswesen - so haben wie wir es haben.
Wo ich kann, werde ich Ihre Rede verbreiten.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüssen

Jürg Walter Meyer“

Antwort:
"Sehr geehrter Herr Dr. Meyer
Haben Sie besten Dank für Ihre freundliche Zuschrift – aus solchen Rückmeldungen wie der Ihrigen ziehen wir die Motivation, uns weiterhin für eine freie und direktdemokratische Schweiz einzusetzen!

Mit freundlichen Grüssen
GS-VBS
Matthias Müller"


„Referat von Bundesrat Maurer, Chef des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, anlässlich der Ustertagsfeier vom 18. November 2012.

Freiheit in Gefahr

Es gilt das gesprochene Wort
Heiri, wenn's fählt, chönnt's Di dä Chopf choschtä".[1] Das sagt Vater Gujer zu seinem Sohn Heinrich. Wir sind auf der Mühle in Bauma. Es ist ein milder Herbstmorgen; es ist der 22. November 1830. Heinrich Gujer verabschiedet sich und macht sich auf den Weg. Er nimmt seinen Pass mit, damit er notfalls fliehen könnte. Später am Tag wird er auf dem Zimiker zu Tausenden von Bürgern sprechen und mit seiner Rede die Volksversammlung von Uster eröffnen.

Freiheit braucht Mut

Es ist ein Glück, dass die Sorge des Vaters historisch überliefert ist. Wir können so hinter die Kulisse der Geschichte blicken. Wir erfahren von der Gemütslage der Menschen von damals, von Angst und Überwindung, vom Mut, den sie brauchten. Daraus lernen wir etwas ganz Wichtiges: Freiheit gibt es nicht einfach so; Mut ist die Voraussetzung für die Freiheit. Denn es brauchte Mut, nach Uster zu kommen; es brauchte Mut, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Mit dem Ustertag feiern wir unsere Freiheit. Wir gedenken des Muts all jener Bürger, die an jenem denkwürdigen 22. November 1830 für Freiheit eingetreten sind. Und wir erinnern uns daran, dass es Freiheit nur gibt, solange wir Bürger uns für die Freiheit einsetzen.

Der Mut zur Freiheit hat sich damals im Volksaufmarsch in Uster gezeigt. Aber er hat sich nicht darauf beschränkt: Die Bedeutung des Tages wird klar, wenn wir uns den grösseren Zusammenhang ansehen. Der Ustertag markiert den Durchbruch liberaler Grundsätze. Was zuvor in Flugschriften, in Volkseingaben, in Denkschriften diskutiert wurde, wird nach dem Ustertag politisch umgesetzt. Zuerst in der neuen Zürcher Kantonsverfassung von 1831. Dann durch Reformen in anderen Kantonen. Und schliesslich in der Bundesverfassung von 1848.

Mit diesen Verfassungen wird der Boden für die liberale Gesellschaftsordnung gelegt. Für die Gesellschaftsordnung, die aus der Schweiz eines der freiesten, friedlichsten und reichsten Länder gemacht hat - Für die Gesellschaftsordnung, der wir unsere weltweit einzigartige Lebensqualität verdanken.

Freiheitsgrundsätze

Die Grundsätze sind einfach, glasklar und zeitlos: Wir Bürger sind frei. Einer der drei Redner am Tag von Uster, Johannes Jacob Hegetschweiler, Arzt aus Stäfa, zitiert Friedrich Schiller: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und würd‘ er in Ketten geboren".[2] Daraus ergibt sich alles weitere: Freie Meinungsäusserung, Versammlungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit, Wirtschaftsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz des Privateigentums, Schutz der Privatsphäre, Schutz vor Willkür, um nur einige zu nennen. Auch die Transparenz in der Staatsführung gehört dazu. Denn der Staat ist uns Bürgern Rechenschaft schuldig, nicht wir dem Staat. Der Ustertag und die liberalen Verfassungen definieren auch da die Verhältnisse neu: Vorher hatte die Regierung ein Land. Seither hat das Land eine Regierung.

Damit kommen wir zum wichtigsten Grundsatz: Wir alle zusammen, wir, das Volk, wir sind der Souverän, also die oberste Macht im Staat. Das Volk erlässt die Verfassung und kann diese auch jederzeit wieder ändern. So steht es als einleitender Grundsatz im Ustertagsmanifest. Und so steht es denn auch im ersten Artikel der Zürcher Kantonsverfassung von 1831.

All diese Grundsätze sichern uns die Freiheit. Der Ustertag ist kein fernes historisches Ereignis: Er ist eine Weichenstellung, die nachwirkt. Der damalige Entscheid für die Freiheit ist die Grundlage des Erfolges von heute. Darum gehört die Ustertagsfeier zu den ganz wichtigen Gedenkanlässen in unserem Land.

Aber es reicht nicht, wenn wir einmal im Jahr feierlich der Freiheit gedenken - und im politischen Alltag diese wichtigen Grundsätze wieder vergessen.
Zum Beispiel, wenn wir von Steuergeschenken sprechen: Das ist ein Rückfall in Zustände von weit vor dem Ustertag. Das ist wieder Feudalstaat: Dem Landesherrn gehört alles. Grund und Boden und die Arbeitskraft seiner Untertanen; was diesen verbleibt ist ein gnädiges Geschenk des Fürsten.

Spätestens seit dem November 1830 sehen wir das anders: Wir sind frei. Was wir erarbeiten, das gehört uns. Es gibt darum keine Steuergeschenke. Denn der Staat kann uns nicht schenken, was uns gehört und nicht ihm.
Steuergeld geht auch nicht verloren, wo es nicht erhoben wird. Steuergeld geht verloren, wo es vom Staat unsinnig ausgegeben wird.

Auf keinen Fall vergessen dürfen wir den wichtigsten Grundsatz: Das Volk ist der Souverän. Nur die Bürger können die Verfassung ändern - Aber die Bürger, sie können sie ändern. Eine Volksabstimmung ist deshalb verbindlich. Auch wenn es um die Ausschaffung krimineller Ausländer geht und das der Verwaltung, den Medien und der politischen Elite missfällt. Ein Abstimmungsresultat ist kein untertäniges Bittschreiben an die gnädigen Herren wie im ancien régime. Es ist ein Entscheid der obersten Instanz des Landes; ein Entscheid der Bürger in ihrer Funktion als höchster Gewalt. Also ein verbindlicher Auftrag, der umzusetzen ist. Auch das sollten wir spätestens seit dem November 1830 wissen!

Sonderfall Freiheit

Der Ustertag ist die Ouvertüre zur Reformzeit, aus der unser moderner Bundesstaat entstanden ist. Und in diesem Zusammenhang wird er auch immer wieder gewürdigt - absolut zu Recht!

Der Ustertag hat aber noch eine andere Bedeutung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Die Reformen der 1830er und 1840er-Jahre haben auch eine aussenpolitische Dimension.

Die Schweiz wagt Demokratie. Die Schweiz wagt Freiheit. Im Alleingang. Als Sonderfall. Überall sonst in Europa herrschen Monarchen. In Frankreich hat es im Juli 1830 eine Revolution gegeben. Aber es wird nur ein König durch einen neuen König ersetzt.

Die Schweiz geht einen Weg, den sonst kein anderes Land zu gehen wagt. Wir müssen uns vorstellen, was das damals bedeutet hat: Volksrechte statt Gottesgnadentum. In den andern Ländern ist es umgekehrt: Ganz wenige bestimmen. Die grosse Mehrheit muss gehorchen. Das Regieren und Verwalten wird als hochkomplexe Kunst verstanden. Das Volk kann das alles nicht verstehen, es stört nur und soll darum nicht mucken. Fürsten und ihre Minister tagen geheim. Ohne Öffentlichkeit, ohne Kontrolle, ohne demokratische Beteiligung der Untertanen.

Die Kantonsverfassung von 1831 und die Bundesverfassung von 1848 sind unglaublich mutige Schritte. Sie sind der Gegenentwurf zu allem, was in den andern europäischen Staaten selbstverständlich ist. Unser Land weicht ganz bewusst von der internationalen Norm ab, so weit wie es nur denkbar ist. Die Bürger von damals wissen, was ihnen die liberalen Verfassungen einbringen werden: Freiheit - aber eben auch Kritik, Spott, Verachtung, Druck, Erpressungen von aussen.

Diese Erfahrungen hat die Schweiz schon in den 1820er-Jahren gemacht. Schon vor dem Ustertag ist die Freiheit hierzulande grösser als anderswo. Das stört die europäischen Mächte. Darum wollen sie die Schweiz einbinden und kontrollieren. Kaum kann sich unser Land aus dem Einfluss Napoleons lösen, legen der Botschafter des österreichischen Kaisers und des russischen Zaren dem Zürcher Bürgermeister schon ihre Forderungen auf den Tisch.[3]

Die Schweiz und die Heilige Allianz

Die Schweiz ist seit 1817 Mitglied der Heiligen Allianz, heute würden wir sagen: einer supranationalen Organisation. Fast alle Staaten in Europa gehören ihr an.

Der Gründungsvertrag vom September 1815 besteht aus schönen Worten. Es heisst, die Beziehungen zu allen Ländern seien alleine durch „die Gebote der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens" geprägt. Man wolle „so den menschlichen Einrichtungen Dauer verleihen und ihren Unvollkommenheiten abhelfen."[4] Hehre Erklärungen - hätte es den Friedensnobelpreis damals schon gegeben, hätte ihn die Heilige Allianz bestimmt erhalten ...

Hinter der Kulisse der schönen Worte sieht die Realität etwas anders aus: Die grossen Staaten geben den Ton an. Das Ziel der Heiligen Allianz ist, die Regentschaft der Monarchen gegen die Bürger zu sichern. Die Politik ist von Fürst Metternich geprägt, dem Aussenminister des Kaiserreiches Österreich-Ungarn. Er ist der legendäre Grossmeister der Machtpolitik.
Wer nicht spurt, bekommt die Peitsche zu spüren. Immer wieder drohen die Herrscher mit der Kavallerie. Und sie lassen sie auch ausreiten. Gegen freiheitliche Bürgerbewegungen in Spanien oder in Italien.
Auch die Schweiz kommt ins Visier. Unter dem Druck der heiligen Allianz beschliesst unsere Tagsatzung 1823 das Pressekonklusum, das sie dann über einige Jahre immer wieder verlängert. Das ist eine Vorgabe an die Kantone, wie sie die Presse zu beaufsichtigen haben. Denn die Mächte fordern weniger freie Meinung und mehr Zensur.[5]

Zollmassnahmen werden als Druckmittel eingesetzt: Die Nachbarstaaten lassen ihre Wirtschaftsmacht spielen. Es gibt Zollschwierigkeiten mit Frankreich, es gibt Zollschwierigkeiten mit Preussen.

Die Monarchen lancieren Gerüchte- und Drohkampagnen: Im Waadtland zum Beispiel gehen Agenten zu Winzern unter dem Vorwand, ihren Wein degustieren zu wollen. Im Gespräch machen sie dann den Leuten Angst, die Franzosen zögen Truppen zusammen und würden bald einmarschieren.[6]

Nur nebenbei: Eigentlich schon ein Verlust an savoir vivre, heute schaltet einfach eine Presseabteilung online ein trockenes Communiqué auf ...
Die hohen Regierungen in Europa haben die Macht auf ihrer Seite. Gleichzeitig fürchten sie aber, die freiheitliche Ordnung der Schweiz könnte die Bürger auch in ihren eigenen Ländern inspirieren. Freiheit ist in den Augen der Staatsgläubigen immer eine Provokation. Darum zielen die Angriffe immer auch auf den Ruf der Schweiz.

Metternich meint: „Die Schweiz steht heute allein als Republik und sie dient den Unruhestiftern aller Art zum Freihafen."[7] Dieses Verunglimpfen ist Teil der politischen Strategie. Statt von Freihafen würde Metternich heute wohl von Steueroase sprechen ...

Die Grossen kleiden die brutale Machtpolitik in ein pseudo-ethisches Gewand: Die freiheitliche Schweiz wird als moralisch verwerflich dargestellt. Metternich schreibt in einem Instruktionsschreiben für einen kaiserlichen Gesandten von „einer moralischen Fäulnis, die, im Volksgeiste immer mehr sich verbreitend, auch den Grund des eidgenössischen Staatslebens untergräbt."[8]

Trotz diesem immensen Druck wählt die Schweiz damals mutig ihren eigenen Weg, weil ihre Freiheit wichtiger ist als internationales Lob.
Freiheit unter Druck
Wenn ich auf diese Zeit zurückschaue, denke ich: Vieles ist so anders. Aber vieles ist auch so ähnlich.

Wenn ich jetzt die mutigen Bürger von damals vor mir sehe, frage ich mich: Wie steht es heute um unsere Freiheit? Und wie steht es um unseren Mut, für die Freiheit einzutreten?

Auch wir stehen unter Druck von aussen. Wir stehen in der Kritik, weil bei uns die Bürger mehr Rechte haben und weniger Steuern zahlen als in andern Staaten. Wir kommen unter Druck, weil unsere Ordnung freiheitlicher und demokratischer ist, weil bei uns Privatsphäre und Eigentum geachtet werden. Und wir werden beneidet, weil es uns gut geht.
Nicht weil wir vieles falsch machen, stehen wir immer wieder am Pranger, sondern weil wir vieles besser machen [das trifft für Deutschland, dessen Politiker-Kaste in grossem Masse zu – Rhoenblick]

Ich habe den Eindruck, wir Schweizer reagieren oft zu defensiv auf Vorwürfe und Erpressungen. Wir dürfen auch einmal daran erinnern, wie andere von uns profitieren: Zum Beispiel, dass die Schweizer Wirtschaft gemäss den Zahlen der Nationalbank gegen 900 Milliarden Franken im Ausland investiert hat, davon über 40% in der EU,[9] dass Schweizer Unternehmen damit weltweit unter anderem mehr als 2.6 Millionen Stellen geschaffen haben.[10] Dazu kommen noch mehr als eine Viertelmillion Grenzgänger, die bei uns ihr Geld verdienen. Allein der Bund hat für das nächste Jahr 3.3 Milliarden Franken für internationale Beziehungen budgetiert.[11]
Wir verlangen dafür keinen Dank - aber wir verlangen Respekt und Fairness.

Manchmal stehen wir uns jedoch auch selbst im Wege. Wir erliegen schnell dem Wunsch, auch irgendwo mitzumachen, auch irgendwie dabei zu sein. Somit fehlt immer wieder der Mut zur eigenständigen Lösung.
Wenn ich, wie damals Hegetschweiler, die Situation mit einem grossen Dichter beschreiben müsste, dann würde ich für unseren Zustand zwischen Verführung und Zwang auf Goethe verweisen. In einer seiner Balladen lockt eine Nixe einen Fischer ins Verderben:

„Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehen;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehen."

Wir sind in den letzten Jahren weitgehende internationale Verpflichtungen in verschiedenen Gebieten und mit verschiedenen Partnern eingegangen; mit Staaten ebenso wie mit überstaatlichen Organisationen. In wichtigen Bereichen haben wir mehr oder weniger bewusst Handlungsfreiheit aufgegeben. Mittlerweile stellen wir fest, dass uns aus zahlreichen dieser eingegangenen Verpflichtungen immer neue Verpflichtungen erwachsen. Häufig mit negativen Folgen für unsere Freiheit.

Ist es da nicht an der Zeit, dass wir einmal emotionslos untersuchen, was uns die wichtigsten internationalen Verträge einerseits bringen, andererseits aber uns abverlangen und kosten? Stimmt die Gesamtbilanz noch? Besteht für die Schweiz ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen? Haben wir erhalten, was wir uns erhofft haben oder was uns versprochen wurde?

Bilanz der Bilateralen

Schauen wir uns die wichtigsten bilateralen Verträge mit der EU genauer an. Denn sie stehen beispielhaft für die internationale Positionierung unseres Landes überhaupt:

Landverkehr
Man erhoffte sich viel vom Landverkehrsabkommen. In der Botschaft - so heisst der Bericht des Bundesrates, in dem er eine Gesetzesvorlage erläutert - wurde das Landverkehrsabkommen als „entscheidendes Element zur Erreichung der ... Verlagerung von der Strasse auf die Schiene"[12] bezeichnet. Das Ziel von „rund 650‘000 alpenquerenden Strassenfahrten" werde „voraussichtlich ... im Zeitraum ab 2006 bis 2012"[13] erreicht. Heute sieht es anders aus. Vom Ziel von 650‘000 ist man weit entfernt. Rund doppelt so viele Lastwagen fahren über die Alpen, wie man damals angekündigt hatte.

Was die nördlichen und südlichen Zulaufstrecken zur NEAT in Deutschland und Italien betrifft, so sollte das bilaterale Landverkehrsabkommen den Bau dieser Strecken sichern.[14]

Von diesen Zulaufstrecken wurde bis heute kaum etwas realisiert.

Dublin
Nicht nur beim Landverkehrsabkommen müssen wir feststellen, dass Vertragspartner ihre Verpflichtungen nicht richtig einhalten. Nehmen wir das Dublin-Abkommen als weiteres Beispiel:
Gemäss diesem Abkommen ist jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in welchem ein Asylbewerber sein erstes Gesuch gestellt hat. Wer also nicht mit dem Flugzeug hier landet, für den können wir logischerweise gar nicht zuständig sein, da wir von Dublin-Staaten umgeben sind. Für den grossen Teil der Asylgesuchsteller ist gemäss dem Abkommen Italien zuständig. Ich sage gemäss Abkommen - In der Realität sieht es anders aus: Italien hat die Rückübernahmen begrenzt.[15]

Schengen
Oder nehmen wir Schengen: In der Botschaft zu den Bilateralen II hiess es, das Abkommen diene der „Stärkung der inneren Sicherheit".[16]
Heute lesen wir von Kriminellen, die von keiner Grenzkontrolle mehr gestoppt werden, von ausländischen Banden, die von der Polizei kaum gefasst werden können, da sie sich sofort wieder ins Ausland absetzen. Bei den Versicherungen wurden allein dieses Jahr 20% bis 30% mehr Einbrüche gemeldet. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt verzeichnet seit Anfang Jahr eine Zunahme der Einbrüche von 45%.[17] Oder wir hören den Hilferuf einer Staatsrätin aus der Waadt, wir sollten die Grenzen wieder strenger kontrollieren.[18]

Wir stellen auch fest, dass andere Schengen-Staaten genau dies tun: Frankreich und Dänemark haben zeitweise ihre Kontrollen wieder eingeführt.

Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass an der türkisch-griechischen Grenze die griechischen Behörden schon seit längerer Zeit die Situation nicht mehr im Griff haben. Die illegale Einwanderung über die griechische Grenze und die Balkanroute hat sich verstärkt. Inklusive Begleiterscheinungen wie Menschen- und Drogenhandel.

In Bezug auf die Sicherheit ist Schengen klar hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Es gibt aber zwei Bereiche, in denen Schengen unsere Erwartungen massiv übertroffen hat: Der Personalaufwand ist viel grösser als angenommen. Und die Kosten sind viel höher als erwartet. Von 30 bis 40 Stellen war ursprünglich die Rede, die man zudem intern kompensieren könne. Heute dürfte der Arbeitsaufwand 200 Stellen übersteigen. Kosten von um die 7 Millionen Franken pro Jahr wurden anfänglich veranschlagt. Für 2013 sind wir bei 100 Millionen Franken.

Von Bürgern habe ich schon gehört, Bundesbern sei wie Schilda: Mehr Leute arbeiten für mehr Sicherheit. Und sie erreichen, dass mit Sicherheit die Unsicherheit zunimmt.

Bankkundengeheimnis
Die Bilateralen II waren unter anderem auch als Entgegenkommen an die EU gedacht, um im Gegenzug das Bankkundengeheimnis zu sichern. Man warnte vor erheblichen volkswirtschaftliche Risiken - ich zitiere wieder aus der Botschaft: „So wäre beispielsweise im Falle eines Scheiterns der finanzplatzrelevanten Abkommen seitens der EU mit unmittelbar steigendem Druck auf das Bankgeheimnis zu rechnen."[19]

Heute haben wir diesen Druck trotzdem. Die damaligen Hoffnungen und Erwartungen haben sich auch in diesem Punkt nicht erfüllt. Ich habe eingangs gesagt, wir sollten die Grundsätze des Ustertages auch nach dem Festakt im politischen Alltag nicht vergessen.

Das gilt auch für das Bankkundengeheimnis: Das Bankkundengeheimnis schützt die Privatsphäre, genau wie das Arztgeheimnis oder das Postgeheimnis. Der Schutz der Privatsphäre ist eine urliberale Errungenschaft, die im Kern auf die 1830er-Jahre zurückgeht.

Einwanderung
Die grössten Schwierigkeiten ergeben sich aber mit der Personenfreizügigkeit. Ihre Folgen spüren wir sehr viel stärker, als ursprünglich angenommen. In der Botschaft hiess es noch: „Generell kann angenommen werden, dass selbst bei einer vollständigen Realisierung der Freizügigkeit mit der EU keine massive Einwanderung zu erwarten ist ..."[20]

Heute müssen wir feststellen, dass genau das stattfindet: Eine massive Einwanderung!

Wir hatten in den letzten fünf Jahren einen Einwanderungssaldo von durchschnittlich gegen 80‘000 Ausländern pro Jahr. Das ist mehr als die Stadt Luzern Einwohner hat; oder fast dreimal die Stadt Uster - und das, wie gesagt, jedes Jahr. Die Schweiz ist ein kleines Land und schon jetzt dicht besiedelt. Diese massive Einwanderung bringt uns in jeder Hinsicht an die Kapazitätsgrenzen. Haben wir uns überlegt, was das für unsere Infrastrukturen heisst, für den privaten und den öffentlichen Verkehr, für Schulen, Spitäler, Energieversorgung; für die Immobilienpreise und den Wohnungsmarkt; für den Umweltschutz und das Lohnniveau?

Es liegt auf der Hand: Wir sollten reagieren. Eigentlich müsste es ja allen klar sein, dass ein Bevölkerungswachstum in diesem Ausmass längerfristig nicht zu bewältigen ist und zu gefährlichen Spannungen führen kann.

Aber durch den Vertrag mit der EU sind uns die Hände gebunden. Unsere Reaktion ist darum Symptombekämpfung. Und sie entspricht auch nicht den liberalen Prinzipien, die unsere Wirtschaft stark gemacht haben: Wir erweitern die flankierenden Massnahmen. Nun sollen diese gemäss einem parlamentarischen Vorstoss sogar auf den Wohnungsmarkt ausgedehnt werden. Flankierende Massnahmen sind aber nichts anderes als Einschränkungen der liberalen Grundsätze, denen wir unsern Erfolg verdanken.

Zusammenfassend müssen wir feststellen: Unsere Handlungsfreiheit und Selbstbestimmung in der Ausländerpolitik haben wir weitgehend aufgegeben. Mit Schengen müssen wir die Visumpolitik der EU nachvollziehen, mit der Personenfreizügigkeit können wir die Zuwanderung nicht mehr steuern.

Macht und Recht

Mich beschäftigt diese Entwicklung. Und ich frage mich: Wenn wir eine Gesamtbeurteilung der Verträge vornehmen, sind wir dann noch so sicher, dass das Resultat für uns stimmt?

Internationale Beziehungen werden durch zwei Faktoren bestimmt: Durch Macht und durch Recht. Grossmächte setzen immer wieder auf Macht. Das ist nichts Neues, wie wir aus der Geschichte wissen - und auch aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Sollte sich die Schuldenkrise weiter verschärfen, wird auch die Machtpolitik noch an Härte zunehmen.
Als Kleinstaat ist das Recht für uns umso wichtiger. Im Gegensatz zu Grossmächten können wir nicht einfach im Nachhinein die Vereinbarungen ignorieren oder nach unseren Interessen zurechtbiegen.
[wie zum Beispiel Deutschland dies tut – Rhoenblick]
Weil also das Recht für uns so wichtig ist, müssen wir den internationalen Verbindlichkeiten besondere Aufmerksamkeit schenken. Und uns besonders gut überlegen, gegenüber wem wir welche Verpflichtungen eingehen. Und auch, wie lange wir in einem Vertragsverhältnis bleiben wollen.

Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, wie sich solche Verträge weiterentwickeln. Oft entfalten sie eine eigene Dynamik. Mit immer neuen Anpassungen und Erweiterungen entwickelt sich ein Sog hin zu immer mehr Gleichschaltung.

Neuerdings fordert die EU sogar, dass wir ihr Recht automatisch übernehmen. Auch alles zukünftige, das wir noch gar nicht kennen. Wir würden uns also der Rechtshoheit der EU unterwerfen. Wollen wir das wirklich?

Die Beziehungen zur EU zeigen exemplarisch, was wir auch im Verhältnis zu andern internationalen Organisationen oder auch zu Staaten, etwa den USA feststellen: Gewisse internationale Verträge bringen immer neue Verpflichtungen mit sich. Und sie tangieren immer stärker unsere Freiheit sowie unsere innerstaatliche Ordnung.

Freiheit wagen

Wir haben ja bereits von Johannes Jacob Hegetschweiler gehört, dem Redner am Ustertag, der damals Schiller zitiert hat. Könnten wir ihn heute noch fragen, würde er wohl auch jetzt wieder Schiller zitieren. Zum Beispiel aus dem Lied der Glocke: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet ... Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang."

Vielleicht wäre es an der Zeit, ganz grundsätzlich die Vorzüge wichtiger internationaler Verträge gegen deren Nachteile abzuwägen, einmal nüchtern eine Bilanz zu erstellen. Und wenn sie für uns nicht stimmt, dann die Konsequenzen zu ziehen. Ich gebe zu: Das braucht Mut - Freiheit wagen, das braucht immer Mut. Das ist heute gleich wie damals vor 182 Jahren.

Am 22. November 1830 haben die Bürger hier in Uster den Aufbruch in die Freiheit gewagt. Das war mutig. Aber es hat sich gelohnt. Darum feiern wir heute noch den Ustertag ...

Zitate:
[1] Zit. nach Karl Dändliker, Der Ustertag und die politische Bewegung der Dreissiger Jahre im Canton Zürich, Zürich 1881, S. 58
[2] Karl Dändliker, Der Ustertag und die politische Bewegung der Dreissiger Jahre im Canton Zürich, Zürich 1881, S. 59
[3] Wilhelm Oechsli, Lebzeltern und Capo d'Istria in Zürich, in: Festgaben zu Ehren Max Büdinger's, Innsbruck 1898
[4] Historisches Seminar der Universität Bern (Hg.), Quellen zur neueren Geschichte, Europapolitik zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Bern 1944, I. Die Heilige Allianz (Original französisch), S. 5
[5] Siehe dazu Robert Baum, Die Schweiz unter dem Pressekonklusum, Diss. Zürich 1947
[6] Robert Baum, Die Schweiz unter dem Pressekonklusum, Diss. Zürich 1947, S. 30ff., insbes. S. 32
[7] Werner Sutermeister, Metternich und die Schweiz 1840 - 1848, Bern 1895, S. 3 Fn 1
[8] Arnold Winkler, Metternich und die Schweiz, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte, 1927, S. 60
[11] Bericht zum Voranschlag 2013, S. 28 und S. 70
[12] Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vom 23. Juni 1999, BBl 1999, 6282
[13] Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vom 23. Juni 1999, BBl 1999, 6291
[14] Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vom 23. Juni 1999, BBl 1999, 6292
[15] 11.5086 - Fragestunde, Dublin ausser Kraft, Antwort des Bundesrates vom 07.03.2011
[16] Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen («Bilaterale II») vom 1. Oktober 2004, BBl 2004, 5991
[17] Der Sonntag online, „Ein Viertel mehr Einbrüche", abgerufen am 29.10.12
[18] „Wir müssen die Grenzen strenger kontrollieren", Interview mit Staatsrätin De Quattro, NZZ am Sonntag, 10.2.12, S. 10
[19] Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen («Bilaterale II») vom 1. Oktober 2004, BBl 2004, 6012
[20] Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG vom 23. Juni 1999, BBl 1999, 6350